Wehrmacht marschierte in Colmnitz mit

Statisten in Nazi-Uniformen irritieren mit Teilnahme an Festumzug in sächsischer Ortschaft / Polizei ermittelt Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Colmnitz ist einer dieser zahlreichen kleinen Ortschaften auf der Landkarte, die selbst Sachsen schnell übersehen würden, teilte sich das Dorf nicht gemeinsam mit dem benachbarten Klingenberg eine gemeinsame Haltestelle. Auf halber Bahnstrecke zwischen der Landeshauptstadt Dresden und Chemnitz gelegen, verirren sich höchstens Einheimische oder Touristen, die durch den nahe gelegenen Tharandter Wald wandern wollen, in 1400 Bewohner zählende Ortschaft.

Nun schafft es das völlig unbekannte Dorf, wie die nur wenige Kilometer entfernten Ortschaften Clausnitz und die Kleinstadt Freital, durch einen irritierenden Vorfall in die bundesweiten Schlagzeilen: Colmnitz beging am Wochenende sein alljährliches »Schul- und Heimatfest 2016«, veranstalte vom Heimatverein Colmnitz e.V. Solch ein Fest wäre an sich über die Lokalpresse hinaus nicht erwähnenswert, hätten sich am Sonntag nicht allerlei Militaria-Anhänger an einem Umzug durch das Dorf beteiligt. Wäre die Glorifizierung von Soldaten nicht schon heikel genug, marschierten noch mehrere Teilnehmer in Wehrmachtsuniformen samt Hakenkreuzen auf. Passend dazu begleiteten Militärfahrzeuge in Tarnfarben und mit aufmontierten Maschinengewehren die fragwürdige Inszenierung. Einen kritischen Kontext zu der Verkleidung lieferte der Aufzug laut Beobachtern nicht, Protest von Zuschauern dagegen blieb aus.

Immerhin müsste sich der für den Festumzug verantwortliche Verein, der nach eigener Beschreibung »Heimatpflege, Heimatkunde und Heimatgeschichte sowie das heimatliche Brauchtum« fördert und pflegt, mit der Geschichte der eigenen Ortschaft besser auskennen: Zu eine der wenigen lokalen Bekanntheiten zählt der 1909 in Colmnitz geborene SS-Oberführer und Vorzeigenazi Horst Böhme, der als Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Prag Karriere während der NS-Zeit machte. Die Organisation von Deportationen im »Reichsprotektorat Böhmen und Mähren« gehörte ebenso zu Böhmes Aufgaben, wie Säuberungs- und Erschießungskommandos.

Seit Montag ist die Polizei in den Vorfall beim Festumzug eingeschaltet. »Wir ermitteln wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen«, sagte ein Behördensprecher am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die Ermittlungen würden zunächst gegen Unbekannt geführt. Die Behörde stellte noch einmal klar, dass Nazisymbole auch bei historischen Umzügen nicht gezeigt werden dürfen un deshalb zumindest abgeklebt werden müssen.

Vorfälle dieser Art gab bei sächsischen Heimatfesten in den letzten Jahren immer wieder: Beim »Tag der Sachsen« 2012 in Freiberg beteiligten sich Militariaanhänger mit Wehrmachtsuniformen und Kampfanzügen der Waffen-SS an einem Umzug.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.