Klimperndes Versprechen
»Geld« im Archäologiemuseum »smac« in Chemnitz
Nur Bares ist wahres, heißt es. Der Spruch feiert fröhliche Urständ, seit Politiker erwägen, das organisierte Verbrechen per Eliminierung des 500-Euro-Scheins zu bekämpfen. Besorgte Bürger fürchten freilich, bald auch aller anderen Scheine und Münzen verlustig zu gehen - was sie nicht lustig finden. Mit dem Bekenntnis zum Bargeld lässt sich derzeit munter populistische Politik machen.
Die Debatte würde wohl etwas anders verlaufen, wäre das Bargeld bei uns eine ebenso gewichtige Angelegenheit wie auf der Inselgruppe Yap in der Südsee. Die traditionelle Währung dort heißt Rai; es handelt sich um ringförmig behauene Steine von bis zu vier Meter Durchmesser - wobei sich der Wert dieser Geldstücke weniger nach der Größe richtet als nach Schönheit, Alter - und danach, wie viele Menschen bei Herstellung und Transport starben. Mit Rai bezahlt man Äcker, Verbündete oder Ehefrauen. Natürlich wird der Brautpreis selten direkt übergeben. Die Steine verbleiben an Ort und Stelle; es wird nur öffentlich mitgeteilt, wer der neue Besitzer ist.
Ein weißer Rai, der sich im Licht dreht, begrüßt die Gäste der ersten eigenen Sonderausstellung im 2014 eröffneten Staatlichen Museums für Archäologie in Chemnitz (smac). Sie befasst sich mit Geld - aus Sicht von Archäologen ein naheliegendes Thema: Münzen und Münzschätze sind nicht nur spektakuläre Fundobjekt; sie liefern auch viele Informationen über frühere Kulturen, etwa über Handelswege und Handwerkstechniken. Zudem aber, sagt Museumschefin Sabine Wolfram, sind sie auch Zeugen für »Konzepte und Lebensentwürfe, die bis in die Gegenwart wirken«. Münzen als Zahlungsmittel etwa tauchen erstmals schon vor 2600 Jahren zur Zeit des sagenhaften Königs Krösus auf. Nur unwesentlich jünger sind die ältesten in der Ausstellung zu sehenden Schuldscheine, die man in Ägypten auf Papyrus schrieb - eine frühe Form des unbaren Zahlungsverkehrs. Seither heißt die Devise: »Money makes the world go round«; Geld hält die Welt am Laufen.
Die Schau schlägt daher einen weiten Bogen und beschränkt sich nicht auf Altertümer; vielmehr versucht sich Kurator Jens Beutmann an einer Überblicksdarstellung zur Kultur- und Sozialgeschichte des Geldes und dazu, was einerseits wir mit Geld machen und was andererseits Geld mit uns macht. Anhand von etwa 500 Objekten wird zunächst die Frage beleuchtet, womit Menschen im Laufe der Geschichte zahlten. Neben Münzen gibt es dazu Armringe aus Muscheln zu sehen, Trommeln oder Ackergeräte, die jenseits ihres Gebrauchswertes zeitweise als Zahlungsmittel galten. Anhand von Platten aus Kupfer sowie von Papierscheinen, die diesen in der Größe exakt nachempfunden sind, wird gezeigt, wie in Schweden im 17. Jahrhundert Papier- das Hartgeld ersetzte. Auch »Buchgeld« gab es bereits: Zahlungen, die nur auf dem Papier vollzogen wurden. Heute ist laut Beutmann rund 90 Prozent des Geldes nur in virtueller Form vorhanden: als Zahl auf einem Beleg, als elektronisches Signal, das in Bruchteilen von Sekunden um den Globus geschickt wird. Derlei Geld habe, sagt der Kurator, »keine Substanz, und doch kann man alles damit kaufen«.
Damit aber geht es in der Schau um mehr als um rare Münzen und filigran gestaltete Banknoten; es geht um die Frage, was Geld eigentlich ist. Im Kern, sagt Beutmann, handelt es sich um ein Versprechen; die Zusicherung, dass ein Stück Metall, ein Papier, ein Schaltvorgang einen Wert darstellt: »im Grunde also eine höchst windige Angelegenheit«. Wird das Versprechen gebrochen, kommt es zur Krise - so, als im Februar 1637 in Holland Tulpenzwiebeln über Nacht ihres exorbitant hohen Wertes verlustig gingen. Oder als 370 Jahre später aufflog, dass teuer gehandelte Immobilienkredite in den USA faktisch nichts wert waren. Die dadurch verursachte Immobilienkrise und die folgende Banken-, Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise waren Anlass für die Schau, sagt Beutmann. Ihr ist ein ganzer, von Infografiken und Nachrichtenbildschirmen flirrender Raum gewidmet.
Die Sorge, in Chemnitz in einem trockenen Ökonomieseminar zu landen, ist freilich nicht berechtigt. Das Büro »chezweitz« aus Berlin hat für die Ausstellung eine Szenografie entworfen, die einerseits von unserem häufigsten Ort der Begegnung mit Geld inspiriert ist und andererseits von der Geschichte des Gebäudes, in dem das »smac« residiert: dem ehemaligen Kaufhaus Schocken. Die vierte Etage des Gebäudes, das Erich Mendelssohn 1927 entwarf und das zu den Ikonen der Vorkriegsmoderne gehört, wird nun noch einmal zum Warenhaus. Geldstücke und Sparbüchsen, Geldautomaten und Gehaltstüten stehen in Vitrinen, die an Regale für Getränke oder Konserven erinnern; Informationstafeln sind wie Preisschilder gestaltet, der Katalog greift die filigrane Grafik von Geldscheinen auf.
Am Ende sitzt der Besucher zwischen goldenen Luftballons in einem leeren Raum: dem Galeriegang an der Fassade des Hauses. Dort kann er sich Texte vorlesen lassen wie den, wonach eine Zeit kommen werde, wo »man nicht mehr schreien wird: Geld! Geld! Sondern: Kein Geld! Kein Geld«. Wilhelm Weitling schrieb das um 1840. Mit der Rettung des Bargelds hätte der Schneidergeselle und Frühsozialist keine Politik gemacht.
Geld. Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz (smac), bis 30. Dezember.
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