Keine Einschulung wegen Nazis
Grundschule in Bad Nenndorf will ABC-Schützen vor »Trauermarsch«-Getümmel schützen
Seit zehn Jahren ist das niedersächsische Bad Nenndorf eine Art Wallfahrtsort für Neonazis aus dem In- und Ausland. Immer am ersten Sonnabend im August ziehen die Rechtsextremisten durch die Kurstadt zum Winckler-Bad. Dort hatte die britische Armee nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Verhörzentrum für mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher eingerichtet, in dem es auch zu Misshandlungen kam - nach Bekanntwerden der Vorwürfe entschuldigte sich Großbritannien dafür. Bis 2030 haben die Neonazis in Bad Nenndorf ihre sogenannten Trauermärsche angemeldet.
In diesem Jahr kollidiert die Demonstration der Rechten zeitlich mit dem Einschulungstermin an Niedersachsens Grundschulen – beide Ereignisse fallen auf den 6. August. Weil die Marschroute der Neonazis durch die Bad Nenndorfer Bahnhofstraße und damit an der Grundschule vorbei führt, will diese die Einschulung ihrer künftigen Erstklässler um einen Tag verschieben. Er könne sich nicht vorstellen, mitten im Demo-Getümmel 63 Jungen und Mädchen einzuschulen, sagt Schulleiter Torsten Rolke. Die Kinder kämen »doch gerade aus dem Kindergarten«, hätten noch kaum eine Vorstellung von Geschichte und könnten nicht auseinanderzuhalten, »wer da im Recht ist und wer nicht«.
Wie die Nachrichtenagentur epd am Dienstag berichtete, will nun auch die evangelische Kirche in Bad Nenndorf ihren diesjährigen Einschulungsgottesdienst auf den Sonntag verlegen. Das sei keinesfalls als Zurückweichen vor den Rechtsextremisten zu verstehen, so Pastorin Sabine Lambrecht. Sie könne schon nachvollziehen, »dass die Schule bei ihren Planungen auf Nummer sicher gehen will.« Am Tag des rechtsextremen Aufmarsches sei in der Innenstadt für Eltern und Kinder ohnehin kein Durchkommen. Die Kirche will am 6. August mit einem ökumenischen Gottesdienst im Kurpark gegen die Neonazis protestieren.
Die Landeschulbehörde in Lüneburg bestätigte auf Anfrage, dass ihr der Antrag der Bad Nenndorfer Grundschule vorliegt. Er werde gegenwärtig geprüft. »Wie wir entscheiden, kann ich gegenwärtig aber noch nicht sagen«, erklärte eine Sprecherin. Dass eine Einschulung auf einen Sonntag verlegt wird, hat es in Niedersachsen bislang noch nicht gegeben.
Allerdings kreuzte sich der Einschulungstermin vor sechs Jahren schon einmal mit dem des »Trauermarsches«, damals verschoben die Veranstalter ihren Aufzug. In diesem Jahr waren die Organisatoren für den Landkreis Schaumburg, der Träger der Grundschule ist, nicht zu erreichen. Weil auch die für die »Trauermärsche« werbende Internetseite seit einigen Wochen nicht mehr online ist, hegen einige Nazi-Gegner die Vermutung, dass die Neonazis zumindest in diesem Jahr auf ihren Umzug verzichten könnten.
Dafür spricht, dass die »Trauermärsche« in den vergangenen Jahren immer weniger Zulauf hatten. Kamen 2010 noch mehr als 900 Neonazis nach Bad Nenndorf, waren es im vergangenen Jahr nur noch 200. Gegen den Marsch demonstrierten fast 1000 Menschen. 300 von ihnen beteiligten sich an einer Sitzblockade, die den Marsch der Rechten zeitweise stoppen konnte. Der DGB und das örtliche Bündnis »Bad Nenndorf ist bunt« hatten zudem zum »unfreiwilligsten Spendenlauf der Republik« aufgerufen: Sponsoren hatten sich bereit erklärt, zehn Euro für jede Minute zu spenden, die sich die Nazis in Bad Nenndorf aufhalten konnten. Rund 2400 Euro kamen so zusammen. Mit dem Geld wurde die Aussteigerhilfe-Organisation »Exit« unterstützt.
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