Nach der Arbeit

Die Düsseldorfer Ausstellung »Vom Wert der Kunst als Wert der Arbeit«

  • Radek Krolczyk
  • Lesedauer: 4 Min.
Schweißtreibende Beschäftigung ist seit der Arbeitswelt 4.0 überflüssig geworden, auch ihre Wirkungsstätten vollziehen eine Metamorphose. Wie die Kunst ehemalige Fabrikhallen für sich entdeckt.

Bereits in der Wahl des Ausstellungsortes schlägt sich das Thema der Schau nieder. Die äußerst spannende Gruppenausstellung »Vom Wert der Kunst als Wert der Arbeit« ist im Düsseldorfer Weltkunstzimmer zu sehen - untergebracht in einer backsteinernen ehemaligen Backfabrik. Ohne die Bäckereiarbeiter und ihre Maschinen, stattdessen mit all den Kunstwerken, steht man gleich mitten im Diskurs über den Wandel der Arbeit. Und damit eben auch im Wandel solcher Gebäudekomplexe oder ganzer Quartiere. Denn tatsächlich finden sich an vielerlei Orten der alten industriellen Arbeit heute die Zentren der Kreativwirtschaft - sei es die Leipziger Baumwollspinnerei, die Bremer Überseestadt, oder das Sulzer Areal in Winterthur. Das Gelände der Brotbackfabrik indes ist nur bedingt in solcherlei Wirtschaft aufgegangen. Seit vier Jahren gehört der Komplex der Hans-Peter-Zimmer-Stiftung und steht somit einer Kulturinteressierten Öffentlichkeit zur Verfügung.

Konzipiert hat die Ausstellung die in Düsseldorf lebende Kuratorin Sabine Maria Schmidt. Sie hat insgesamt 17 sehr unterschiedliche künstlerische Positionen zusammengebracht, die auf sehr unterschiedliche Weise um Themen wie die Organisation, Formen und Wandel von Arbeit heute kreisen. Die Besonderheit und gleichzeitige Eingebundenheit künstlerischer Arbeit in Lohnarbeit stehen dabei oft im Mittelpunkt. Oder die beiden Formen reflektieren sich gegenseitig. So etwa in der Rauminstallation der Stuttgarter Künstler Georg Winter und Rupert Maier. Diese hatten während der Eröffnungsfeier als »Brigade Partisan Heslach« einen der baufälligen Ausstellungsräume renoviert - und hinterher wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Hinterlassen haben sie einen Raum voller Malerequipment, versehen mit zahlreichen Anspielungen auf die Geschichte der Kunst- und Arbeiterbewegung. In einer Wand steckt ein Eispickel, daneben ist »Trotzki Monument« zu lesen, zwei voneinander weit entfernt stehende Leitern sind mit den Begriffen »Theorie« und »Praxis« versehen und nach einem Multiple des Fluxus-Künstlers Robert Filou aus den 60er Jahren haben die Brigadisten aus Zeitungen Papierhüte gefaltet. Man kann die Formen der künstlerischen und handwerklichen Arbeit hier kaum trennen. Wo Künstler in einer Ausstellung eine Wand weißen, geschieht beides gleichzeitig. Auf einem Banner haben sie ihr Firmenmotto fixiert: »monokrom-minimal-konstruktiv«.

Fragen der Zusammensetzung der Identität des Künstlers oder der Künstlerin werden auch in anderen ausgestellten Arbeiten verhandelt. So etwa in einem Fundstück aus dem US-Fernsehprogramm der 40er Jahre. In einer Show nach Art von »Wer-bin-ich?« befragen Kandidaten mit verbundenen Augen den Künstler Salvador Dalí nach seiner Identität. Dieser darf nur mit »Ja« und »Nein« antworten. Die Ratenden verzweifeln an ihrer Aufgabe, weil Dalí auf fast sämtliche Fragen mit »Ja« antwortet. Er ist sowohl Maler, Bildhauer und Autor, als auch in Film und Fernsehen, aber auch der Wirtschaft aktiv. Er ist somit eine sehr frühe Form der heute so weit verbreiteten Künstlerunternehmer, die neben ihrer künstlerischen Arbeit alles andere ihren Job betreffende mitorganisieren - inklusive dem Verwalten eines Mitarbeiterstabs.

Um ein konkretes historisches Ereignis, die Abwicklung der staatseigenen Betriebe der DDR durch die Treuhand widmet sich der in Berlin lebende mehrfache Documenta-Künstler Andreas Siekmann. Auf 21 großformatigen Bögen erzählt er die Geschichte dieser Abwicklung in Anlehnung an die in den 30 Jahren aktiven Kölner Konstruktiven in einer ausgeklügelten Piktogrammsprache, die er als Vektorgrafik in Word entwirft. Auf diese Weise macht Siekmann die mit dem Prozess verbundene Entwicklung der Arbeitslosigkeit sichtbar, aber auch Fälle von Korruption. Besonders interessant sind die kleinen speziellen Ereignisse, denen er sich immer wieder widmet, so etwa die Werksbesetzung in Bischofferode zu Beginn der 90er Jahre als Protest gegen die Privatisierungspolitik des Westens.

In den Zeichnungen des Stuttgarter Künstlers Alexander Roob ist der Arbeitsalltag selbst dokumentiert. Roob besuchte sehr unterschiedliche Produktionsstätten mit Stift und Block, in Düsseldorf wird nun eine Serie aus dem Schlachthaus von 1997 gezeigt. Das dokumentarische Zeichnen ist eine eigenartige und in Vergessenheit geraten Tätigkeit, die man heute am ehesten vielleicht noch aus der Gerichtsreportage kennt. Roob, der auch für seine Theorie des Zeichnens bekannt ist, zeigt in fließenden, gestischen Linien auf eine ganz sanfte Weise einen lauten, schmutzigen und gewaltvollen Arbeitsprozess. Die Arbeit selbst wird durch diesen Vermittlungsschritt auf eine ganz seltsame Art entfremdet und man bekommt den Eindruck, als könnte man so überhaupt wieder nachdenken über einen solchen Arbeitsvorgang.

Es muss auch eine Zeit nach oder jenseits der Arbeit geben, gerne auch nach der Arbeit der Rezeption. Und so hat in einem Dachzimmer des Ausstellungshauses die Künstlerin Christin Lahr Hängematten aufgespannt, in denen man über Kopfhörer Paul Lafargues Klassiker von 1887 »Das Recht auf Faulheit« hören kann. Nach der Arbeit eben.

Vom Wert Der Kunst als Wert der Arbeit, Weltkunstzimmer, Düsseldorf, bis 19. Juni. Der Autor ist Betreiber der Galerie K' (www.k-strich.de).

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