Frühe Furcht vor Wahlkampfkassen
Wegen hoher Steuereinnahmen will Schwarz-Gelb in Niedersachsen einen früheren Stopp der Kreditaufnahmen des Landes
Eine »Kriegskasse« für den Wahlkampf wolle Rot-Grün bilden, polterte ein FDP-Abgeordneter am Dienstag im Niedersachsenparlament, ein »Bunkerkonto« für den selben Zweck wähnt ein CDU-Mann bei SPD und Grünen. Um dieses rechtzeitig vor der Landtagswahl 2018 zu füllen, sei die Regierungskoalition nicht davon abzubringen, trotz beträchtlicher Steuermehreinnahmen neue Schulden zu machen. Eine Behauptung, die Schwarz-Gelb in den Raum stellte, verbunden mit dem Antrag, das derzeitige Konzept zum sukzessiven Schuldenabbau zu kippen.
Jener Plan besagt: Von Jahr zu Jahr wird die Neuverschuldung um 120 Millionen Euro verringert. Im aktuellen Etat sind es 480 Millionen Euro, 2020 sollen als Folge dieser kontinuierlichen Reduzierung gar keine neuen Kredite mehr aufgenommen werden. Das aber könne schon im laufenden Jahr geschehen, meint die FDP und forderte, der Landtag möge den sofortigen Neuschuldenstopp per Gesetz anordnen.
Nicht gleich auf Null drehen, aber doch deutlich zurückschrauben will die CDU die Neuverschuldung. Festschreiben solle das der Landtag in einem Nachtragshaushalt für 2016. Zugleich eingeplant werden könnten auf dessen Ausgabenseite sowohl Fördermittel für Krankenhäuser als auch zusätzliches Geld, mit dem das Land die Kommunen bei der Flüchtlingshilfe unterstützt. Die schnelle Abkehr von neuen Schulden, so CDU-Finanzexperte Reinhold Hilbers, sei durch das zu erwartende hohe Steuerplus möglich. Dieses hatte die Steuerschätzung des Bundesfinanzministeriums im Mai vorhergesagt. Danach könne Niedersachsen bis 2019 mit Steuermehreinnahmen von etwa einer Milliarde Euro rechnen, erinnerte Hilbers, allein im laufenden Jahr mit einem Plus von über 250 Millionen Euro. Auch stünden noch beträchtliche Rücklagen zur Verfügung. Entlastet werde das Land darüber hinaus durch die gesunkene Zahl der Flüchtlinge und das aktuell sehr niedrige Zinsniveau.
Der Finanzminister werde »vom Steuerzahler mit Geld überschüttet«, begründete der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Christian Grascha, den von seiner Fraktion verlangten Sofortstopp der Neuverschuldung. Auf sie zu verzichten, sei »eine historische Chance«. Doch er hege »übelste Befürchtungen«, so der Abgeordnete, dass Rot-Grün sich Geld für den Wahlkampf zurücklegen wolle. Dass lasse die Opposition »nicht durchgehen«.
Durchfallen dürfte sowohl der Antrag der Liberalen als auch jener der CDU. Zwar wird die Sache ordnungsgemäß noch im Fachausschuss behandelt, doch das Nein der rot-grünen Mehrheit ist sicher. Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) hatte schon unmittelbar nach der Steuerschätzung im vergangenen Monat klargestellt: Die Landesregierung werde an dem geplanten Abbau der Neuverschuldung bis 2020 festhalten.
Schneider warnte jetzt im Landtag: Die Steuerschätzung sei doch nicht mehr als eine Prognose. Auch sei bislang nicht vorauszusehen, wie sich der Flüchtlingszustrom in den kommenden Monaten entwickelt. Fest stehe: Die durch das Kommen hier Schutz suchender Menschen anfallende finanzielle Belastung werde Niedersachsen meistern, und zwar »ohne Kahlschlag in anderen Politikfeldern«.
Die Wünsche von CDU und FDP werden das bleiben, als das sie Gerald Heere (Grüne) bezeichnete: »Schaufensteranträge«, die sich auf den erste Blick bei Wählerinnen und Wählern gut machen, aber keine Auswirkungen auf die Finanzpolitik des Landes haben.
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