Machtkampf gegen Frauke Petry?
Warum sich die AfD-Führung im Streit um die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl 2017 selbst zerlegt
Bis zur Bundestagwahl 2017 ist noch mehr als ein Jahr Zeit. Offiziell stellt sich die Frage nach der Spitzenkandidatur in der AfD im Moment nicht. Überhaupt ist in der Rechtspartei bisher völlig unklar, nach welchem Verfahren eine Nominierung überhaupt stattfinden soll. Wird die Parteispitze ein Vorschlagsrecht erhalten? Gibt es eine Urabstimmung? Soll sich jedes Mitglied drauf los bewerben können? Ungeklärte Fragen, auf die es in der AfD bisher zumindest nach außen hin keine Antworten gibt.
Sicher scheint nur: Intern formiert sich bereits eine Fraktion, die eine mögliche alleinige Spitzenkandidatur Frauke Petrys für 2017 verhindern will. Dabei hat sich die Parteichefin bisher noch nicht einmal öffentlich geäußert, ob sie überhaupt Ambitionen hegt, für den Bundestag kandidieren zu wollen – und noch dazu auf Listenplatz eins der Rechtspartei. Ausgerechnet der Ko-Vorsitzende Jörg Meuthen befeuert die Debatte nun in der »Bild«-Zeitung von prominenter Seite: Gegenüber dem Boulevardblatt gab er zu Protokoll, er könnte sich die AfD-Politikerin Alice Weidel als Spitzenkandidatin vorstellen, da sie dafür das nötige »Format« mitbringe. Der Vorschlag dürfte gezielt platziert sein: Weidel hat, wie der AfD-Chef, Ökonomie studiert und gehört in wirtschaftspolitischen Fragen zum neoliberalen Parteiflügel. Meuthen wiederum schließt bisher eine eigene Kandidatur für den Bundestag aus. Stattdessen wolle er die volle Legislatur über AfD-Fraktionschef in Baden-Württemberg bleiben.
Doch selbst hinter diese Aussage muss derzeit ein großes Fragezeichen gesetzt werden: Meuthen steht parteiintern unter großem Druck. Grund dafür ist die Personalie Wolfgang Gedeon. Der Abgeordnete hatte sich in der Vergangenheit antisemitisch geäußert und darüber hinaus ein heftig umstrittenes Buch veröffentlicht. Dafür soll Gedeon nun aus der Fraktion fliegen, die Abstimmung ist für kommenden Dienstag angesetzt. Ob der Ausschluss erfolgt, ist allerdings längst nicht sicher, denn dafür ist eine Zweidrittelmehrheit der Fraktionsmitglieder notwendig. Meuthen indes hat sein politisches Schicksal mit der Personalfrage verknüpft: Wenn Gedeon nicht fliegt, will sich der Fraktionschef zurückziehen. Er soll aber offenbar auch dazu bereit sein, entweder als Einzelkämpfer oder mit weiteren Mitstreitern die Stuttgarter AfD-Fraktion zu spalten. Für diesen Fall wäre Meuthens weitere Karriere in der Partei mehr als fragwürdig.
Auffällig ist zudem: Meuthens Vorstoß war mit der viel gelobten Parteifreundin Weidel entweder nicht abgesprochen oder beide inszenieren gerade ein doppeltes Spiel gegen Petry. Am Donnerstag teilte Weidel nämlich mit, die Frage der Spitzenkandidatur sei für sie kein Thema. Tatsächlich überrumpelt oder nur gespieltes Desinteresse? In der Partei wäre es zumindest nicht das erste Mal, dass die Spitze unsanft zu Fall gebracht wird. Petry selbst organisierte sich im Hintergrund ihre Mehrheiten gegen den damaligen Parteichef Bernd Lucke, ehe dieser im vergangenen Jahr in einer Kampfabstimmung erst von der Spitze und kurz darauf aus der gesamten AfD gedrängt wurde.
Nun droht Petry womöglich ein ähnliches Schicksal. Dafür könnte ausgerechnet eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Koalition sorgen: Obwohl sich Meuthen nach außen hin als gemäßigter Wertekonservativer gibt, sucht er die Nähe zum völkisch-nationalistischen Flügel um Björn Höcke. Anfang Juni nahm der Ko-Vorsitzende an einem Sommerfest der »Patriotischen Plattform« teil. Seinen Auftritt spielte Meuthen später herunter: Als Parteichef sei er für die Gesamtpartei verantwortlich, erklärte er gegenüber »Spiegel Online«. Indirekt ist die Teilnahme Meuthens aber auch als Hinweis zu deuten, dass der Führungsstreit in der AfD sich weniger an inhaltlichen Fragen entzündet, sondern vor allem an strategischen Überlegungen des öffentlichen Auftretens. Wie radikal soll sich die AfD öffentlich äußern?
Damit sicherte sich Meuthen gegenüber Petry zumindest einen strategischen Vorteil: Im Gegensatz zur Ko-Vorsitzenden spricht er mit dem Höcke-Flügel. Das Verhältnis zwischen dem Thüringer AfD-Chef und Petry gilt als tief zerstritten. Spätestens seit dem missglückten Versuch der Ko-Chefin, Höcke wegen seiner Äußerungen über den »lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp« aus der Partei zu drängen, ist der Kampf der beiden um die Vorherrschaft in der AfD offensichtlich. Petry wiederum genießt zwar im Parteivorstand kein breites Vertrauen, ist an der Basis allerdings umso beliebter und gilt als Aushängeschild der Partei. Und dann ist da noch die Nachwuchsorganisation »Junge Alternative« (JA), dessen Vorsitzender Markus Frohnmaier seit diesem Jahr als Petrys Pressesprecher arbeitet. Dieser Schachzug Petrys dürfte vordergründig strategischer Natur gewesen sein, positioniert sich die JA doch mehrheitlich auf Seiten der völkisch-nationalistischen Strömung. Letztere hält sich bisher auffallend bedeckt, wem man eine Spitzenkandidatur zutraut.
Und was macht in der Spitzenkandidatenfrage eigentlich Parteivize Alexander Gauland? Dieser stellt sich nicht nur immer wieder kategorisch auf die Seite Höckes, sondern liegt mit Petry ebenfalls regelmäßig im Streit. Zuletzt hatten die Äußerungen des brandenburgischen Fraktionschefs über den Fußballer Jerome Boateng für heftigen Wirbel gesorgt. Die Entschuldigung nahm die Chefin ihrem Vize sogleich ab: Petry entschuldigte sich im Namen Gaulands bei Boateng.
Überhaupt scheint die Kommunikation in der AfD-Führung schlecht abgestimmt zu sein: Als AfD-Chef Petry sich Ende Mai mit Vertretern des Zentralrats der Muslime traf und das Gespräch nach knapp einer Stunde abbrach, kritisierte Gauland die vermeintlich schlechte Abstimmung der Vorsitzenden mit anderen wichtigen Parteifunktionären. Jüngstes Beispiel für mögliche Alleingänge Petrys ist das Treffen mit dem österreichischen FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache auf der Zugspitze am 10. Juni. Der Termin sei nur unzureichend mit dem Vorstand abgesprochen worden.
Wirklich über den Weg scheint sich die AfD-Führung untereinander im Moment nicht zu trauen.
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