Schmackhafte Prävention
In Leipzig kann man sich eine mobile Cocktailbar für alkoholfreie Events ausleihen
Gefrorene Erdbeeren, Melone, Grenadine, ein Schuss Bitter Lemon, Wasser und zwei Blätter Basilikum: Fertig ist der doppelte Hattrick! Garantiert alkoholfrei. Entstanden ist dieser Rezeptvorschlag wie andere auch bei einem alkoholfreien Cocktailwettbewerb auf Initiative des Arbeitskreises Suchtprävention. »Die Idee war, eine Alternative zu Wein, Bier und Cocktails anzubieten, eine, die gut schmeckt, aber eben alkoholfrei ist«, sagt Ulrike Hinkelmann vom Amt für Jugend, Familie und Bildung. Die Bar gehört zum Alkoholpräventionsprojekt »HaLT - Hart am Limit«, das 2010 in Leipzig als Modellprojekt startete. Jugendamt und Gesundheitsamt wollten die gemeinsame Präventionsarbeit ausbauen. So entstand die Idee zur HalT-Bar. Die können sich Vereine, Jugendklubs, Schulen und andere Einrichtungen kostenlos ausleihen.
Auch in der Messestadt gibt es seit Jahren das Problem mit stark betrunkenen Minderjährigen. Eine Befragung von Kindern und Jugendlichen im Jahr 2015 ergab, dass 15 Prozent der 12- bis 17-Jährigen regelmäßig Alkohol trinken, das sind zwei Prozentpunkte mehr als im bundesweiten Durchschnitt. Von den 12- bis 13-Jährigen trinken vier Prozent mindestens einmal pro Woche. Immer öfter werden Minderjährige mit einer akuten Alkoholvergiftung in die Universitätsklinik eingeliefert. In solchen Fällen kommt ein Sozialarbeiter, der mit der oder dem Jugendlichen spricht und zur Teilnahme an dem eintägigen Gruppenangebot »Risiko-Check« motiviert. Meistens gibt es auch ein Gespräch mit den Eltern.
Bei einer Veranstaltung mit sogenannten Multiplikatoren im Offenen Freizeittreff Crazy in Leipzig-Paunsdorf berieten Ulrike Hinkelmann vom Fachbereich Kinder- und Jugendschutz und ihre Kollegin, die Koordinatorin für Suchtprävention Manuela Hübner, jetzt darüber, was getan werden kann. Die Teilnehmer kamen alle aus der Praxis: »In allen Jugendklubs ist Alkohol tabu, aber wir können Trinken außerhalb der Einrichtungen nicht verhindern«, war die einhellige Meinung. Groß ist der Reiz des Verbotenen, viele fangen schon mit zwölf Jahren an. Problematisch sei der Umgang der Gesellschaft mit Wein, Schnaps und Bier: Warum gebe es Alkohol bei der Familienfeier zum Schulanfang? Bei Partys, in denen Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt stehen, habe Alkohol nichts zu suchen. Das Anstoßen zur Jugendweihe mit Sekt sei ein Ritual, das nicht hinterfragt werde. Dabei müssten sich Erwachsene ihrer Vorbildwirkung beim Thema Alkohol bewusst sein.
Alkohol darf konsequent nur unter Einhaltung des Jugendschutzgesetzes abgegeben werden. Durch Aktionen, Schulungen und Öffentlichkeitsarbeit soll eine Kultur des Hinsehens entwickelt werden. Eine Erhöhung der Altersgrenze von 16 auf 18 Jahre würde langfristig etwas bringen, so die Meinung vieler der Anwesenden. Jetzt heißt es: »Mit 16 ist es erlaubt, da fange ich mit 13 oder 14 an.« Das würde sich zeitlich nach hinten verschieben. Beim Tabak habe man gesehen, dass Gesetze wie »kein Rauch in Gaststätten, Zügen, öffentlichen Einrichtungen« etwas bringen.
Aber auch das Einschränken wäre gut: Keine harten Sachen bei Partys, nur zwei alkoholische Getränke pro Jugendlicher, keine Happy Hour in Discotheken, Alternativen anbieten. Hier fügt sich die HalT-Bar nahtlos ein. Die Ausleihe ist kostenlos, allerdings muss der Transport der auf Rollen fahrbaren Bar organisiert und bezahlt werden. Mehrwegbecher, Shaker, Eisschaufeln, Barsieb und verschiedene Sorten Sirup sind vorhanden. Frisch besorgen müssen die Ausleihenden Obst und Getränke.
Angelika Köhler vom Freizeittreff Crazy: »Bei uns hat die Bar zwischen den Ausleihen ihr dauerhaftes Domizil. Wir setzen sie ständig ein und haben die besten Erfahrungen.« Die Kinder und Jugendlichen, die zu Hause die Erwachsenen (oft) Alkohol trinken sehen, lernen, dass Cocktails ohne Sekt und Schnaps gut schmecken.
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