Ein Job wie jeder andere?

Der Schutz von Prostituierten sorgt für Streit und spaltet die politischen Lager

  • Gisela Dürselen
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch vor der Sommerpause soll das Prostituiertenschutzgesetz in den Bundestag. Die einen klagen über Repressionen, andere über unzureichenden Schutz.

Beim Thema Prostitution gehen die Meinungen auseinander: in der Gesellschaft, unter Experten und innerhalb der Parteien und politischen Lager. Seit März diskutiert der Bundestag den Entwurf zum neuen Prostituiertenschutzgesetz (ProstG). Seitdem gibt es Streit und die Interessengruppen laufen Sturm.

Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen und die Interessenvertretung Doña Carmen protestieren gegen die neue »Zwangsberatung«, gegen Stigmatisierung und Vertreibung in die Illegalität. Im Mai appellierte Doña Carmen in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten, dem neuen Gesetz ihre Zustimmung zu verweigern: Es sei ein repressives »Anti-Prostitutions-Gesetz«, das durch seine Bestimmungen große Bordelle bevorzuge. Es schütze Prostituierte nicht vor Zwang, sondern die Gesellschaft vor Prostitution.

Das Prostituiertenschutzgesetz

Noch vor der Sommerpause soll das neue Prostituiertenschutzgesetz (ProstG) beschlossen werden: Nach Expertenanhörungen, einer Beratung im Bundesrat und einer ersten Lesung im Bundestag wird im Juli weiterverhandelt. Wenn alles nach Plan läuft, könnte das Gesetz im Herbst die Länderkammer passieren und im Juli 2017 in Kraft treten.

Nach langen Debatten hatte sich die Koalition im März auf einen Entwurf des Bundesfamilienministeriums geeinigt, der das von Rot-Grün beschlossene Prostitutionsgesetz von 2002 novelliert. Damals war erstmals der Begriff der Sittenwidrigkeit gefallen, womit Prostituierte ihren Lohn einklagen und sich sozialversichern konnten. Mit dem Begriff der freien und selbstbestimmten Hure stammten die damaligen Forderungen aus einem Teil der feministischen Ecke. Die Novellierung war nötig geworden, weil eine Evaluation aus dem Jahre 2007 ergeben hatte, dass sich die Situation von Prostituierten nicht verbessert hatte.

Kernelement des neuen Gesetzes ist die Einführung einer Erlaubnispflicht für Betreiber von Prostitutionsstätten: Sie müssen ein Betriebskonzept vorlegen und sich einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Personen, die einschlägig vorbestraft sind, dürfen kein Bordell mehr eröffnen. Auch wer gesundheitliche oder hygienische Standards nicht erfüllt, kann die Erlaubnis verlieren. Prostituierte ihrerseits müssen sich anmelden und an regelmäßigen Beratungen teilnehmen. Für Freier besteht Kondompflicht. Damit sollen laut Bundesfamilienministerium Rahmenbedingungen für legale Prostitution gesetzt und die Grauzone zwischen legaler und illegaler Prostitution verringert werden. Ergänzend zum ProstG legte Justizminister Heiko Maas einen Gesetzesentwurf gegen Zwangsprostitution vor, der Freiheitsstrafen für Freier vorsieht, die wissentlich zu Zwangsprostituierten gehen.

Bereits 2014 empfahl das EU-Parlament allen Mitgliedstaaten, die Nachfrage nach Prostitution einzudämmen, indem Freier, nicht aber Prostituierte bestraft werden: Die Abgeordneten betonten, dass »nicht nur Zwangsprostitution, sondern auch freiwillige sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung die Menschenrechte und die Würde des Menschen verletzen«. Damit stellen sich die EU-Parlamentarier auf die Seite des sogenannten Nordischen Modells. Schweden verbot bereits 1999 die Prostitution, es folgten Norwegen, Island, die Republik Irland und zuletzt Frankreich. gdü

Sozialarbeiterin Sabine Constabel urteilt dagegen: Ein »Prostitutions-Schutzgesetz, das vor allem die Prostitution als Institution schützt«. Sie arbeitet für den Stuttgarter Verein »sisters«, der Beratung und Ausstiegshilfen für Prostituierte anbietet. Die selbst ernannten »Sexarbeiterinnen« in den Lobbyorganisationen seien nicht repräsentativ, sagt Constabel. Diese Organisationen versammelten vor allem die Profiteure des Systems Prostitution. »Hier geht es um einen riesigen Geschäftszweig - und um sehr viel Geld.«

Auch politisch werden die Debatten zum Teil recht emotional geführt. Bei der SPD vertritt die baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier eine wenig parteikonforme Position. Bei der Expertenanhörung im Bundestag am 6. Juni sagte sie in ihrer Funktion als Vorstandsfrau des Vereins sisters, das Gesetz gehe zwar in die richtige Richtung, aber noch nicht weit genug. Denn Schätzungen zufolge kämen bis zu 90 Prozent der in der Prostitution Tätigen aus den ärmsten Ländern Südosteuropas. Die Übergänge der vielen verschiedenen Formen von Prostitution - auch zur Zwangsprostitution - seien fließend.

Die Bremer Linksjugend-solid wiederum stellte sich auf die Seite der Prostituiertenverbände und fasste auf ihrem Bundeskongress im April nach heftiger Debatte den Beschluss zur »Solidarität mit Sexarbeiter*innen«. Die Linksfraktion im Bundestag benennt in einer Stellungnahme die soziale Absicherung als in diesem Zusammenhang zentrale Problemstellung. Diese müsse im Rahmen einer allgemeinen Verbesserung für alle beruflich Selbstständigen gelöst werden.

Manuela Schon aus Wiesbaden vom Koordinierungskreis LINKE für eine Welt ohne Prostitution sagt dagegen: Wer das System Prostitution betrachte, stelle schnell ihren sexistischen, rassistischen Charakter fest. Benötigt werde ein Perspektivwechsel: »Halten wir es für legitim, dass ein Mann sich Zugang zum Körper einer Frau erkauft, die sexuellen Handlungen ohne materielle Kompensation niemals zugestimmt hätte - und der weiß, dass sie nur deshalb zustimmt, weil sie ihren Lebensunterhalt (und oft den ihrer Kinder) sichern muss oder sonst das Dach über dem Kopf verliert?«

Es sei bewiesen, dass Prostituierte öfter unter posttraumatischen Belastungsstörungen litten als Kriegsveteranen und Folteropfer. Die Objektivierung einer Klasse von Frauen habe negative Konsequenzen für alle Mädchen und Frauen in einer Gesellschaft. Beim diesem Thema könne eine linke Partei beweisen, wie ernst sie es meine mit Feminismus, Antirassismus und Antikapitalismus. Denn: »Alle gesellschaftlichen Ungleichheiten erscheinen hier wie unter einem Vergrößerungsglas.«

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