Das Mysterium einer Liebe

David Garnett über einen Mann, dessen Frau sich in eine Füchsin verwandelt

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.

So wie der Roman beginnt, dachte ich sofort an die roten Bände der »Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens«, die meine Großmutter gesammelt hatte. Was David Garnett (1892-1982) schildert, hätte gut in die Rubrik »Mannigfaltiges« gepasst, die ich als Kind mit besonderem Interesse las. Lauter seltsame Begebenheiten, dargeboten ohne jeden Zweifel, dass sie stattgefunden haben. In diesem Ton schreibt auch Garnett: »Denn die plötzliche Verwandlung Mrs. Tebricks in eine Fähe ist eine erwiesene Tatsache, die hier nur wiedergegeben werden soll. Die größte Schwierigkeit besteht sicher darin, die Sache zu erklären und mit den üblichen Vorstellungen in Einklang zu bringen, weniger darin, die Geschichte als wahr anzuerkennen, die so umfänglich bewiesen ist ...«

Es war Garnetts erster Roman, veröffentlicht mit 30 Jahren, nachdem er 1921 geheiratet hatte. Aber gewidmet ist das Buch dem schottischen Maler Duncan Grant (1885-1978), mit dem er, wie man inzwischen weiß, seit seiner Jugend eine homosexuelle Beziehung pflegte. Grant ist übrigens schon vor Beginn des Ersten Weltkriegs mit einer Frau zusammengezogen - Vanessa Bell, der Schwester von Virginia Woolf. Obwohl man annimmt, dass die sexuelle Beziehung der beiden schon kurz vor der Geburt ihrer Tochter Angelica 1918 ein Ende fand, heißt es, dass sie bis zu Vanessas Tod 1961 einträchtig zusammenlebten, wobei Grant weiterhin Beziehungen zu Männern pflegte. Garnett hat 1942 Duncans Tochter Angelica geehelicht.

Das alles müsste keine Rolle spielen, ist aber immerhin interessant, wenn man diesen zauberhaften kleinen Roman für sich ausleuchten will. Eine frisch verheiratete Frau wird also während eines Spaziergangs in einen Fuchs verwandelt. Welche Möglichkeiten hat da der liebende Ehemann? Er könnte trauernd Abschied nehmen, was er irgendwann für eine gewisse Zeit sogar muss, weil sie einfach in die Wälder flüchtet. Aber bis dahin sorgt er weiter für sie, während sie langsam ihre menschlichen Eigenschaften verliert und zum Tier wird. Wie aufopferungsvoll, das wird hier im Detail beschrieben. In seiner Umgebung gilt er bald als verrückt. Aber der Autor singt uns ein Hohelied der Menschlichkeit. Wobei er selber staunt über das Mysterium dieser Liebe. Denn als Mr. Tebrick nach langem Suchen seine Frau im Walde wiederfindet, umgeben von einem Wurf niedlicher Welpen, ändern sich seine zärtlichen Gefühle nicht. Auch als er ihren Fuchs erblickt, währt die Eifersucht nur einen winzigen Moment. Liebe als Abhängigkeit oder eher als Großherzigkeit, wenn dieser Mann von jeglichem Besitzdenken Abstand nimmt?

Das Buch hat es in sich, auch was die Grausamkeit von Menschen gegenüber Tieren betrifft. Man denke nur an die Fuchsjagd, bei der die Füchse hoch zu Ross und mit Hundemeuten bis zur Erschöpfung gehetzt werden. Das ist nicht nur bei den Briten populär. Auch in Deutschland werden im Jahr rund 600 000 Füchse geschossen - um ihnen das wertvolle Fell über die Ohren zu ziehen. Außerdem sind sie bei der Jagd auf Fasane Konkurrenten.

Das Buch ist schon einmal 1952 in einer deutschen Ausgabe erschienen, die indes schon längst vergessen ist. Die neue Übersetzung stammt von Maria Hummitzsch, 1982 in Magdeburg geboren, die sich gut in den Erzählton Garnetts einfühlen kann. Zudem fand es im Schweizer Dörlemann Verlag eine ganz besonders liebevolle Gestaltung.

David Garnett: Dame zu Fuchs. Roman. Deutsch von Maria Hummitzsch. Dörlemann Verlag. 158 S., Leinen, 17 €.

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