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Weichen in die Zukunft gestellt

Nun ist Bruno Kahl BND-Präsident - Wolfgang Schäuble freut sich über den gelungenen Coup

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Am 1. Juli meldet sich der neue BND-Präsident zum Dienst. Bruno Kahl ist ein Mann von Wolfgang Schäuble und damit eine sichere CDU-Bank.

Achtung, Spione! Die Warnung gilt noch bis Ende November. Sie verweist auf eine Ausstellung im Militärhistorischen Museum Dresden. Da geht es um den Bundesnachrichtendienst (BND) und seinen Vorläufer zwischen 1945 und 1956, die Organisation Gehlen. Man setze sich auch »mit problematischen Entwicklungen der BND-Geschichte auseinander«, sagte Gerhard Schindler, der damalige Chef des Auslandsgeheimdienstes, zur Ausstellungseröffnung. Im März wusste Schindler noch nicht, dass er nur wenige Tage danach selbst Gegenstand und Opfer eines neuen, vermutlich höchst politischen Kapitels BND-Geschichte werden sollte.

Im April erfuhr der Beamte von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), dass er sein Amt an einen gewissen Bruno Kahl abgeben muss. Dieser in Essen geborene Jurist, CDU-Mitglied, Witwer, Vater zweier Töchter, agierte bislang stets im Schatten von Wolfgang Schäuble (CDU). Als der noch Fraktionschef im Bundestag war, arbeitete Kahl ihm als Referent zu. Dann wechselte er mit Schäuble ins Bundesinnenministerium, gab dort den Büroleiter. Nächste Station: Das Finanzministerium. Dort war Kahl einer von neun Abteilungsleitern Schäubles, zuständig für Privatisierungen. Was befähigt ihn nun zur Leitung der gut 6500-Agenten-Truppe?

Zunächst die Tatsache, dass er keinen Stallgeruch verbreitet. Doch die Befähigungsfrage wird von einer anderen verdeckt: Schindler räumt seinen Stuhl nicht freiwillig. Warum muss er ihn verlassen? Im Oktober 2017 wird er 65 Jahre alt, er hätte einen Orden abfassen und in Pension gehen können. Der vom Whistleblower Edward Snowden ausgelöste Skandal um die gesetzeswidrige Kumpanei von BND und NSA sowie das Abhören von Freunden verliert trotz Untersuchungsausschuss rasch an Sprengkraft. Der freundliche FDP-Mann Schindler, der sich als Verfechter der Transparenz ausgibt, hätte die parlamentarische Schelte noch entgegennehmen und so seinem Nachfolger einen unbelasteten Start ermöglichen können. Man hört statt dessen, es sei gescheiter, dass die nun notwendigen Reformen vom neuen Mann vorangetrieben werden.

Der wichtigste Pflock wurde am vergangenen Dienstag vom Kabinett mit dem Entwurf des neuen BND-Gesetzes eingeschlagen. Die Empörung der Opposition ist groß. Statt dem BND klare rechtliche Grenzen aufzuzeigen und Grauzonen zu beseitigen, »soll nun fast alles nachträglich gesetzlich legitimiert werden, was sich im NSA-Untersuchungsausschuss als unzulässig, als rechtswidrig, mindestens aber fragwürdig herausgestellt hat«, monierte André Hahn, der in dem Ausschuss und in dem für die Geheimdienste zuständigen Bundestagskontrollgremium arbeitet. Auch der Grünen-Kollege Konstantin von Notz wettert: »Statt die notwendigen, wiederholt angemahnten rechtsstaatlichen Konsequenzen zu ziehen und die Massenüberwachung sowie die Verletzungen von EU-Grundrechtecharta und Grundrechten zu stoppen, sollen die hoch umstrittenen BND-Praktiken nun legalisiert werden.«

Es gab ein Gemunkel, das Schindlers Quasi-Entlassung mit der AfD zu tun hat. Da ist vermutlich etwas dran. Doch nicht seine Schwester, die die Gattin eines saarländischen »Chef-Alternativen« und selbst aktiv in der nationalkonservativen Partei ist, bereitet Probleme. Es sind eher die zu erwartenden Parlamentssitze, die die Partei bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 erringen wird.

Die Pleite der SPD ist absehbar, eine rot-rot-grüne Wendung kaum zu erwarten. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Union auch die Grünen ins Kanzlerbett ziehen muss. Egal ob da schon die SPD und womöglich die FDP liegen.

Beim Koalitionsgeschacher wird mit Sicherheit auch der Posten des BND-Chefs zur Disposition stehen. So wie die noch oppositionellen Grünen-Innenpolitiker im NSA-Ausschuss wider das neue BND-Gesetz argumentieren, wollen und müssen sie gerade im Geheimdienstbereich Veränderungen anstreben. Und dass die Liberalen den BND lieber an eine kürzere Leine legen wollen, ist auch nachlesbar. Da käme es gelegen, wenn der BND-Präsident in die Rente abgeschoben werden kann. Bei Schindler wäre das möglich, der jetzt installierte Kahl ist dann aber erst 55 Jahre alt.

Bislang war die Art der Installation von Geheimdienstpräsidenten - egal, ob BND oder Bundesamt für Verfassungsschutz - absehbar. Seit Schäubles Innenministerzeiten ist diese spezielle Personalpolitik Sache des Bundesinnenministeriums. BND-Chef Schindler kam daher, der oberste Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen ebenso. Klaus-Dieter Fritsche, der im Kanzleramt für die Koordinierung der Dienste zuständig ist, wechselt auch aus dem Bundesinnenministerium. So gut der Drahtzieher ist, der 63-Jährige hat auch schon einen Rentenbescheid in der Tasche. Das motivierte den alten Unionsfuchs Wolfgang Schäuble wohl zusätzlich, Fäden in die Zukunft zu ziehen. Bevor er dann selbst aufs Altenteil geht.

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