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Bill Cunningham
13. 3. 1929 - 25. 6. 2016
Er selbst, gekleidet in immer der gleichen blauen Arbeitsjacke, dazu die beige Khakihose und - die Kamera. Jeden Morgen schwang er sich auf sein Fahrrad, frühstückte in einem Deli auf der West 55th Street in der Nähe des Central Park und machte sich dann auf den Weg, um Geschichte neu zu schreiben, die der Modefotografie. »Die beste Fashionshow findet auf der Straße statt. So war es und so wird es immer sein. Ich habe meine Arbeit immer mit der Hoffnung verbunden, einen großartigen exotischen Vogel aus dem Paradies zu finden«, sagt er in dem Dokumentarfilm »Bill Cunningham New York«. Die Vogue-Chefin Anna Wintour war sich sicher, dass kein New Yorker mit Stil es verkraften würde, wenn Cunningham ihn nicht fotografierte. »We all dress for Bill«, hat sie einmal gesagt (»Wir ziehen uns alle nur für Bill an«).
Die Authentizität der Straße, die heute in zahllosen Fashionblogs bis zur Belanglosigkeit totfotografiert ist, hatte Cunningham einst für die »New York Times« in der Kolumne »On the Street« in solch erhabene Bilder gebannt, dass klar ist, warum er sich für Laufstegmode nie wirklich interessierte. Cunningham, der seine Karriere als Hutmacher für die Frauen der New Yorker High Society begann, lebte bescheiden in einer kleinen Kammer, ohne Küche, über der Carnegie Hall. cod
Benjamin Patterson
29. 5. 1934 – 25. 6. 2016
Benjamin Patterson war Mitbegründer der Avantgardebewegung Fluxus, die das Fließen zwischen den Gattungen, zwischen Kunst und Leben zum Programm erklärte. Der Kontrabassist ging nach seinem Studium nach Kanada, weil ihm als Afroamerikaner in den USA eine Anstellung als Orchestermusiker verwehrt blieb. 1960 zog er weiter nach Europa, wo er zwei Jahre später einen Grundstein für Fluxus legte: In Wiesbaden zählte er zu den Erfindern der Festspiele Neuester Musik, des weltweit ersten Fluxus-Festivals. Trotz seines Rückzugs nach New York und in ein »bürgerliches Leben« blieb Patterson der Avantgarde als Musiker, Performer und Installationskünstler ebenso verbunden wie Wiesbaden als zweitem Wohnsitz. Hier installierte er 2012 auch den einzigen europäischen Zugang zu seinem »Museum für das Unterbewusstsein«. Nach dem Tod eines jeden Menschen kann dessen Unbewusstes dort abgegeben und über einen bronzenen Gullydeckel in den Salzbachkanal geleitet werden. Da Patterson in Wiesbaden starb, wird der unbeleuchtete Teil seiner eigenen Seele seinen Weg in den Fluss vermutlich bereits gefunden haben. mha
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