E.on zieht den Kürzeren
Gericht versagt Schadenersatz wegen Atomausstieg
Der wirtschaftlich schwer angeschlagene Energiekonzern E.on hat jetzt auch juristisch eine Schlappe erlitten. Das Unternehmen scheiterte beim Landgericht Hannover mit einer Schadenersatzklage über 382 Millionen Euro gegen den Bund sowie die Länder Bayern und Niedersachsen wegen des Atommoratoriums von 2011. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
E.on habe es versäumt, gegen die Abschaltung seiner Atomkraftwerke Isar 1 in Bayern und Unterweser in Niedersachsen frühzeitig mit einer Anfechtungsklage vorzugehen, begründete das Gericht am Montag die Entscheidung. Anders als vom Betreiber dargelegt, habe auch kein rechtswidriges Behördenhandeln vorgelegen. Den von E.on hilfsweise geltend gemachten »enteignungsgleichen Eingriff« habe es ebenfalls nicht gegeben.
Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima hatten Bund und Länder am 17. März 2011 zunächst eine auf drei Monate befristete Abschaltung von sieben Kernkraftwerken angeordnet, darunter waren auch die Anlagen Unterweser nahe Brake und Isar 1 bei Landshut. Mit der Neufassung des Atomgesetzes wurden diese Meiler dauerhaft stillgelegt, während für die übrigen ein Ausstiegsfahrplan bis 2022 festgelegt wurde. Dies war allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens in Hannover.
E.on ist der Ansicht, dass die vorläufigen Betriebseinstellungen rechts-widrig waren. Den Verzicht auf eine Anfechtungsklage begründete das Unternehmen damit, ein solcher Schritt sei wegen der zu erwartenden Dauer mit Hinblick auf das dreimonatige Moratorium ungeeignet gewesen. Das Landgericht wies diese Sicht jetzt zurück: Für einen Anspruch auf Schadenersatz sei eine Anfechtungsklage gegen die Abschaltbescheide gesetzlich geboten und auch zumutbar gewesen.
Die Klage wurde in Hannover verhandelt, weil dort der Sitz der Kernkraftsparte von E.on ist - inzwischen strahlt dieser Bereich wieder unter dem alten Namen PreussenElektra. Die E.on-Klage ist Teil einer ganzen Reihe von Versuchen der Energiekonzerne, Entschädigung für finanzielle Einbußen rund um den Atomausstieg vor Gericht zu erstreiten. Die AKW-Betreiber stützen sich dabei im Kern auf eine Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofes von Anfang 2013. Er hatte das Moratorium für die beiden Blöcke des RWE gehörenden Atomkraftwerks Biblis für rechtswidrig erklärt - unter anderem, weil RWE vor der Entscheidung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Das Urteil wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.
In anderen Prozessen unterlagen die Konzerne jedoch weitgehend: In Essen korrigierte ein Gericht den Schadenersatzanspruch von RWE deutlich nach unten, in Bonn kassierte EnBW sogar eine glatte Abfuhr.
Beobachter gehen davon aus, dass die Energieversorger am Ende sämtliche Klagen fallen lassen könnten - als Teil eines Deals, der sie von Zahlungen für die Endlagerung des Atommülls befreit. Nach dem Vorschlag der Atom-Finanzkommission von Ende April sollen E.on, RWE, Vattenfall und EnBW dafür insgesamt 23,3 Milliarden Euro in einen Fonds überweisen. Dagegen sträuben sich die Konzerne offiziell - noch. Kommentar Seite 4
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