»Der neue Eigentümer ist ...
Kathrin Gerlof über einen Immobiliendeal in Berlin und einen Schwarzwald-Doktor für arme AOK-Kunden
... ein mitteständischer, deutscher Immobilieninvestor mit langfristigem Fokus, der sich auf die Transformation denkmalgeschützter Strukturen und historisch relevanter Bauten spezialisiert hat.«
Die Welt sieht im Kleinen genauso beschissen aus wie im Großen und Ganzen. Man kann sie also auch mal eben schnell an einem Beispiel hauptstädtischer Politik im Bereich Daseinsvorsorge abhandeln. Seit Jahren gibt es hier Trouble (der Berliner nennt es Zoff) um die älteste Poliklinik der Stadt, das »Haus der Gesundheit«. Hick und Hack, Hoch und Heilig, Ne und Vielleicht doch - während all dieser Jahre der Unentschiedenheit und Zwischenlösungen stiegen die Patienten von Kleinwagen auf Rollator um und hofften, ihre wohnortnahe Gesundheitsversorgung bliebe ihnen erhalten.
Nun ist es aber so in Deutschland und Berlin: Privat geht vor Bürger (und Bürgerin natürlich) - die Berliner Landesregierung hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es ihr ernst mit diesem Grundsatz ist und sehr schöne Teile des berühmten Tafelsilbers verhökert. Irgendwann später werden andere Regierungen vielleicht versuchen, das alles für doppelt und dreifach Geld wieder zu kommunalisieren. Das ist so lustig, warum gibt es das noch nicht als Computer- oder wenigstens als Brettspiel?
Bei diesem ominösen »Haus der Gesundheit« kommt netterweise noch hinzu, dass es der AOK Nordost gehört, eine - Achtung! - Körperschaft öffentlichen Rechts. Und die hätte (hätte Fahrradkette) die Möglichkeit gehabt, einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft (WBM) den vielversprechenden Standort im Herzen der Stadt zu verkaufen. Die wiederum war angetreten, sich darum zu kümmern, dass die Menschen mit und ohne Rollator auf lange Sicht ihren Doktor und ihre Doktorsche im »Haus der Gesundheit« vorfinden - also zu Fuß hinrollen können. Ein schöner Plan.
Allerdings, das muss man sagen, ist die WBM wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, in ihr Angebot so Sätze zu schreiben wie: »Wir beabsichtigen, das Haus auf Basis eines lebendigen Konzeptes rund um das Thema Gesundheit neu zu beleben.« In der Zeitung heißen die, die solche schicken Sachen aufgeschrieben haben, »der Käufer, der nicht genannt werden möchte«. Whow, das ist mal transparent. Und so ein lebendiges Konzept gibt es wahrscheinlich bei Alexa zu kaufen oder in dem Internet. Vor allem aber ist es nicht zu toppen, wenn eine Krankenkasse öffentlichen Rechts 20 Millionen Euro für ein altehrwürdiges, sehr sanierungsbedürftiges Haus in wunderschöner Stadtlage kriegt. So wird es kolportiert, auch wenn über den Kaufpreis Stillschweigen vereinbart wurde. Für so viel Kohle lässt man denkmalgeschützte Strukturen gern transformieren. (In dieser Kolumne wird keine Schleichwerbung gemacht, aber es gibt Alternativen zur AOK, man muss sich nicht bei einer Zockerbude versichern.)
Aber jetzt erst kommt der Knaller: Die Krankenkasse Nordost hat dem nicht genannt sein wollenden Käufer abgerungen, das »Haus der Gesundheit« mindestens fünf (sic!) Jahre als Ärztehaus zu erhalten.
Fünf Jahre, das ist ja! Das ist ja! Das entspricht ja genau der Länge einer Legislaturperiode in diesem schönen Bundesland, das zugleich Hauptstadt, arm und sexy ist. Und Wahlkampf findet gerade auch noch statt. Also wer in diesen Wochen mit einem Versprechen für die kommenden fünf Jahre das Blaue vom Himmel reden kann, hat doch wirklich gute Karten, oder? Jetzt müsste der Verkäufer, der nicht genannt werden will, noch aussehen wie Tommy Lee Jones in »Men in Black« oder der einstige Chef der Schwarzwaldklinik, Klausjürgen Wussow, dann hättet die AOK Nordost alles richtig, vor allem aber Kasse gemacht.
Der Berliner Gesundheitssenator jedenfalls begrüßt die zukunftssichere und patientenfreundliche Lösung, die nun mit dem Investor, der nicht genannt werden möchte, gefunden wurde. Vielleicht hat der Mann seinen Hausarzt woanders und weiß, wo es freundliche Lösungen zu kaufen gibt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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