Streit im Führerstand

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Ärger in der GDL-Zentrale: Während der Vorstand eine Hausdurchsuchung herunterspielt, wehrt sich der Ex-Bundesvorsitzende vor Gericht gegen seinen Gewerkschaftsausschluss.

In ihrer Internetpräsenz konzentriert sich die Lokführergewerkschaft GDL auf Tarifarbeit, eine Neugliederung ihrer Bezirke und Kritik an Plänen für führerlose Triebwagen. Doch intern scheint es mächtig zu brodeln. »Unlautere Angriffe auf die GDL«, so der Betreff eines von Gewerkschaftschef Claus Weselsky unterzeichneten Rundschreibens. Der Bundesvorsitzende beklagt darin die »destruktive Energie ehemaliger GDL-Mitglieder« und bescheinigt einer »fragwürdigen Gruppe geistiger Heckenschützen«, getrieben durch »Neid, Lüge und Verschlagenheit« und »aus niederen persönlichen Motiven« heraus einen »Angriff auf alle Berufsgewerkschaften« zu starten und damit »bedenkenlos Arbeitgebern und Großgewerkschaften in die Hände« zu spielen. Der Brief liegt »nd« in Kopie vor.

Weselsky bezieht sich offensichtlich auf Berichte in einem Boulevardblatt über eine zweitägige Hausdurchsuchung, die Beamte des hessischen Landeskriminalamts im Mai in der Frankfurter GDL-Zentrale durchführten. Grundlage ist nach Insiderangaben ein Ermittlungsverfahren der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, dem unter anderem ein Verdacht der Untreue durch einen ehemaligen hauptamtlichen Leitungsassistenten zugrunde liegt. Die Aktion habe sich nicht gegen GDL-Funktionäre, sondern einen »ehemaligen nachgeordneten Mitarbeiter« gerichtet, so Weselsky. Die gewünschten Unterlagen habe man zur Verfügung gestellt.

Dass sich damit der Staub noch nicht gelegt hat und die Unruhe über weitere Ermittlungen anhält, wird aus Weselskys Verdacht gegen nicht näher benannte »interessierte Kreise« deutlich, die »zum Schaden der GDL tätig« seien. »Unter Hintanstellung jeglichen Anstands und in dem Wahn, die einzige Instanz zu sein, welche Recht und Ordnung faktisch gepachtet hat, lassen sie nichts unversucht, auf den Bundesvorsitzenden zu zielen.«

Insider sehen darin einen Seitenhieb auf eine Gruppe von GDL-Dissidenten um Weselskys Amtsvorgänger Manfred Schell, der 2008 in den Ruhestand ging. Schell hatte Weselsky vor Jahr und Tag von Dresden in die Zentrale geholt und als neuen Chef aufgebaut. Doch längst steht die gesamte ehemalige innere Führungsriege aus den frühen 1990er Jahren mit dem Dresdner auf Kriegsfuß. »Er lebt sein Ego und gilt als dünnhäutig und empfindsam«, so Schell, der aus Protest den GDL-Ehrenvorsitz niedergelegt hat und sich mit seinen Anhängern auf der Website www.indemore-gdl.de zu Wort meldet. Dort äußerte er sich auch kritisch zur GDL-Tarifpolitik.

Unterstützer Schells verloren auf Weselskys Geheiß seit 2013 ihre hauptamtlichen Positionen und wehren sich seither gerichtlich. Im August 2015 verkündete der GDL-Vorstand den Ausschluss Schells, weil er »trotz mehrfacher Aufforderung seinen Beitragszahlungen nicht nachgekommen« sei. Offenbar ging es um Aufsichtsratstantiemen, deren Höhe und Abführungsmodalitäten in der GDL-Satzung nicht geregelt sind. Der gescholtene Ex-Vorsitzende, dem vor dem Ausschluss keine Chance zur Anhörung eingeräumt wurde, ließ diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen und ging vor Gericht. Nach einer Mitteilung von Schells Anwalt Marc Oliver Ram stellte das Landgericht Aachen in zweiter und letzter Instanz dieser Tage fest, dass Schell »mit seinen satzungsgemäßen Mitgliedsbeiträgen nicht in Verzug« sei. Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht.

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