Grüner Bütikofer für EU-Steuer

Europapolitiker nimmt EU-Kommission in Schutz: »Gegen Juncker spielen im Moment viele Foul« / Münkler gegen Vertiefung der Europäischen Union

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Berlin. Der Chef der Europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, hat sich für den Fall eines britischen Ausscheidens als Nettozahler aus der EU für die Einführung einer EU-Steuer ausgesprochen. »Vielleicht wollen ja die Briten weiter zahlen, wie die Norweger, um Zugang zum Binnenmarkt zu behalten. Ansonsten muss man über stärkere Eigenmittel der EU reden«, sagte Bütikofer der »Welt«. Es habe Sinn, die Haushalte der Mitgliedsländer zu entlasten und stärker auf Eigenmittel der EU zu setzen. Eine Mehrbelastung des Steuerzahlers solle vermieden werden. »Was nicht geht, ist, von der EU alles Mögliche zu verlangen, aber ihr die Mittel dafür zu verweigern«, warnte der frühere Gründen-Bundesvorsitzende.

Die Bundesregierung hat sich bisher gegen die Einführung einer EU-Steuer ausgesprochen. Die EU finanziert sich gegenwärtig vor allem über Beitragszahlungen ihrer Mitgliedsländer. Zugleich nahm Bütikofer den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker vor Kritik und Rücktrittsforderungen in Schutz: »Gegen Juncker spielen im Moment viele Foul. Da mache ich nicht mit, obwohl er zuletzt nicht immer eine glückliche Figur machte«, sagte der Grüne. »Seine Ankündigung, das Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada ohne Ratifizierung durch die nationalen Parlamente durchzusetzen, war nicht hinnehmbar. Seinen Sinneswandel begrüße ich.« Die Angriffe auf Juncker zielten weniger auf die Person als auf das Prinzip. »Er ist denen ein Dorn im Auge, die jetzt die Brexit-Gelegenheit nutzen wollen, um die EU doch in ein bloßes Europa der Vaterländer zu verwandeln«, sagte Bütikofer. »Auf seine Erfahrung jetzt zu verzichten, wäre fahrlässig.«

Derweil warnt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler davor, nach einem EU-Austritt Großbritanniens die Vertiefung der Europäischen Union voranzutreiben. »Dann kann die ganze EU auseinanderfliegen«, sagte er der »Stuttgarter Zeitung«. »Alles, was nicht unbedingt auf europäischer Ebene verhandelt werden muss, sollte auf den Ebenen darunter geregelt werden«, empfahl der Professor an der Berliner Humboldt-Universität. »Wir brauchen eine kluge Politik, bei der die EU auf zentrale strategische Herausforderungen konzentriert wird - wo die Bürger intuitiv die Überzeugung haben: Ja, das kriegt ein Staat nicht gut alleine hin, das müssen wir gemeinsam in Europa regeln.« Münkler erwartet, dass sich viele Hoffnungen der Brexit-Befürworter in Großbritannien nicht erfüllen werden. Dann könnten Enttäuschte in »politische Apathie« verfallen und Wahlen fernbleiben. »Daneben kann es aber auch Aktivisten und Wortführer geben, die sich radikalisieren. Bis hin zur Gewalt.« Agenturen/nd

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