Portugal wird mit einem einzigen Sieg Europameister

Eder schießt sein Land im Finale gegen Frankreich zum ersten Titel - 1:0-Sieg nach Verlängerung

Aus Ronaldos Tränen des Schmerzes wurden in Paris doch noch Freudentränen: Portugal gewinnt das EM-Finale in der Verlängerung mit 1:0 gegen die Gastgeber. Portugal reicht ein einziger Sieg in regulärer Spielzeit zum Titel.

Frankreich ist schneller als erhofft und sehr schmerzhaft wieder im Alltag angekommen. »Wir können nicht alle Probleme der Franzosen lösen, aber wir können dafür sorgen, dass sie sie für eine Zeit lang vergessen«, hatte Nationaltrainer Didier Deschamps vor dem Finale der Europameisterschaft in Paris gesagt. 18 EM und WM-Spiele war die Equipe Tricolore bis zum Sonntagabend auf französischem Boden ungeschlagen. Ausgerechnet im 19. Spiel ist die Serie gerissen: Durch das Tor von Eder in der 109. Minute gewann Portugal im Stade de France mit 1:0 (0:0) in der Verlängerung und ist Europameister.

Beide Mannschaften hatten es ohne Niederlage in dieses Endspiel geschafft. Allerdings auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Während die Franzosen meist sehr offensiv agiert und 13 Tore geschossen hatten, traten die Portugiesen sehr zurückhaltend und defensiv auf. Der erste Sieg nach 90 Minuten gelang ihnen erst beim 2:0 im Halbfinale gegen Wales.

Das gleiche Bild bot sich auch am Sonntagabend. Frankreich machte von Beginn an Druck und kontrollierte schnell das Spielgeschehen. Portugals Trainer Fernando Santos hatte sein Team sogar noch defensiver aufgestellt: Statt im 4-3-3 ließ er mit einer zusätzlichen Defensivabsicherung im Mittelfeld mit einem 4-1-3-2-System spielen.

Die erste Chance des Spiels hatten die Portugiesen dennoch. In der vierten Minute kam ein Befreiungsschlag bei Nani, der aus 20 Metern den Ball aber über das Tor schoss. Dann kamen die Franzosen. Natürlich mit Antoine Griezmann, der bei dieser EM schon sechs Mal getroffen hatte und erneut im 4-2-3-1-System zentral hinter Stürmer Olivier Giroud spielte. Nach sieben Minuten feuerte er Frankreichs ersten Torschuss ab, verzog ab aus spitzem Winkel. Drei Minuten später köpfe Griezmann aufs Tor, Portugals Keeper Rui Patricio konnte den Ball nur mit großer Mühe über die Latte lenken.

Antoine Griezmann gegen Cristiano Ronaldo – im Vorfeld stand das Finale ganz im Zeichen des Duells der beiden Stars. Daraus wurde nichts. Eigentlich wollte der Portugiese am Sonntagabend »Freudentränen« weinen. Nach einem Foul des Franzosen Dimitri Payet wurden daraus in der 17. Minute Tränen des Schmerzes. Sieben Minuten später musste Ronaldo verletzt ausgewechselt werden. Er konnte sich zu diesem Zeitpunkt zumindest damit trösten, nach seinen drei Turniertoren nun zusammen mit Michel Platini erfolgreichster EM-Torschütze zu sein. Allerdings brauchte der Franzose 1984 nur ein Turnier dafür.

Von diesem Schock erholte sich Portugal in der ersten Halbzeit nicht mehr und versteckte sich fast gänzlich in der eigenen Hälfte. Aber auch Griezmann trat bis zum Pausenpfiff nicht mehr in Erscheinung. Moussa Sissoko umso mehr: In der 34. Minute ließ er seinen Gegenspieler mit einer Finte im Strafraum aussteigen, zielte aber aus zehn Metern direkt auf Torwart Rui Patricio. Torlos ging es in die Kabinen.

Die Franzosen blieben auch in der zweiten Halbzeit spielbestimmend. Allerdings entwickelten sie lange Zeit weniger Torgefahr als in den ersten 45 Minuten. Die Portugiesen standen jetzt aber auch noch defensiver auf dem Platz, mit nur noch einer Sturmspitze im 4-5-1-System. Ihre wenigen Konter hielt aber die Konzentration der französischen Defensive hoch.

Neuen Schwung ins Offensivspiel brachte die Einwechslung von Kingsley Coman in der 58. Minute für Payet. Acht Minuten später bediente er Griezmann mit einer Flanke, der jedoch aus fünf Metern über das Tor köpfte. Frankreichs Druck wurde jetzt immer stärker. In der 75. Minute schoss Giroud aus aussichtsreicher aufs portugiesische Tor, Rui Patricio parierte hervorragend.

Damit hatte die Zeit der Torhüter begonnen: In der 80. Minute musste Frankreichs Hugo Lloris erst einen Heber von Nani und danach den Fallrückzieher von Ricardo Quaresma. Vier Minuten später stand wieder Rui Patricio im Mittelpunkt: Bei einem Gewaltschuss von Sissoko musste Portugals Keeper all sein Können aufbringen, um einen Rückstand zu verhindern. Die Entscheidung vor der Verlängerung verpasste Stürmer André-Pierre Gignac, der nach 78 Minuten für Giroud ins Spiel gekommen war und in der Nachspielzeit aus fünf Metern nur den Pfosten traf.

In der ersten Halbzeit der Verlängerung nahm Frankreich etwas Druck raus, so dass sich ein halbwegs ausgeglichenes Spiel entwickelte. Die Partie wurde zudem etwas härter, Schiedsrichter Mark Clattenburg musste drei Mal die gelbe Karte zeigen. Die einzige Torchance, die es gab hatte es in sich: In der 104. Minute schraubte sich Portugals Eder nach einer Ecke im Strafraum am höchsten, sein Kopfball fand nur ob eines Reflexes von Hugo Lloris nicht den Weg ins Tor.

Portugal aber witterte nun seine Chance. Nach dem Anpfiff der letzten Viertelstunde des Finals, war es plötzlich das aktivere Team. Und damit das gefährlichere. In der 108. Minute setzte Linksverteidiger Raphael Guerreiro einen Freistoß aus 20 Metern an die Latte. Eine Minute später schlug es im Tor der Franzosen ein. Eder bekam den Ball im Mittelfeld, nahm ein paar Schritte Anlauf und hämmerte den Ball aus 20 Metern zur Führung ins untere linke Eck.

Den Franzosen blieben nur noch wenige Minuten, ihre Angriffe aber blieben planlos. Portugal verteidigte leidenschaftlich und blieb gegen die nun fast aufgelöste gegnerische Abwehr mit Kontern stets gefährlich – und rettete so den knappen Vorsprung über die Zeit. Die große Sehnsucht des Landes nach einem Titel hat sich endlich erfüllt und Ronaldo konnte am Sonntagabend doch noch Freudentränen weinen.

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