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Erkennungszeichen: ein Tattoo
Christoph Peters ist in »Der Arm des Kraken« der japanischen Mafia auf der Spur
In einem Park im Berliner Osten liegt ein Toter. Auf seinem Rücken prangt ein großes Tattoo, »ein purpurroter Krake mit bösen schwarzen Glubschaugen und schlangenartigen Armen, der sich an einer Riesenmuschel festsaugt.«
Wegen seiner asiatischen Gesichtszüge wird der Mann zunächst für einen Vietnamesen gehalten. War es eine Vergeltungsaktion zwischen Zigarettenhändlern? Oder eine rechtsradikale Tat wie beim NSU? Nur Kommissarin Annegret Bartsch hält das Opfer für keinen Vietnamesen. Sie vermutet, dass er Japaner ist und Mitglied der Yakuza, der japanischen Mafia. Die hat nämlich eine Vorliebe für großflächige Tätowierungen.
In Christoph Peters’ neuem Roman »Der Arm des Kraken« wird schnell klar, dass die Kommissarin recht hat. Denn neben der Erzählstimme der Berliner Polizistin, die in einem pausenlosen Bewusstseinsstrom alles mitteilt, was ihr durch den Kopf geht, gibt es einen allwissenden Erzähler. Und der nimmt vor allem die Perspektive von Fumio Onishi ein. Onishi ist wie Yukio Ozawa, so der Name des Toten, Mitglied der größten Yakuza-Gruppe, der Yamaguchi-gumi. Über Amsterdam nach Berlin eingereist, soll er herausfinden, wer seinen Kollegen umgebracht hat. Und er soll ihn rächen.
»Der Arm des Kraken« ist besonders wegen dieser Passagen über Fumio Onishi gut lesbar. Neben Christoph Peters’ erzählerischem Können ist es die Faszination der Macht, die die Figur so attraktiv macht. Sein gesamtes Leben hat Onishi damit verbracht, sich im Kampf zu üben. Meister Harada, wie er seinen Lehrer nennt, hat ihm beigebracht, dass ein Unterschied zwischen Leben und Tod unwichtig ist. Eine Überzeugung, die Onishi das Töten erleichtert.
Wenn »Der Arm des Kraken« allein aus den Passagen mit Fumio Onishi bestanden hätte, wäre der Roman vielleicht ein guter Thriller geworden. Man hätte nicht nach einem Bezug zur Realität gefragt, sondern nach Vorbildern in Comics, Filmen oder in der Literatur. Aber Peters setzt als zweiten Erzählstrang Annegret Bartsch ein. Sie soll eine Kriminalkommissarin mit besonderem Realitätsbezug sein. Ein Eindruck, der nicht nur durch den »Stream of Consciousness« entsteht, indem erzählte Zeit und Erzählzeit in Übereinstimmung gebracht werden sollen, sondern auch dadurch, dass sie am Anfang meint, die ganzen Fernsehkommissarinnen hätten wenig mit der wirklichen Polizeiarbeit zu tun. Nur dass dieser Hinweis auf die Fiktion von Krimis wiederum bereits in jedem zweiten ARD-Tatort auftaucht. Und Peters danach seine Kommissarin alle Elemente eines Fernsehkrimis in ihrem Bewusstseinsstrom abarbeiten lässt - von den Schwierigkeiten mit Mann und Tochter bis zu den sinnlosen Intrigen im Dezernat. Das einzige, was Annegret Bartsch von einer Bella Block oder Rosa Roth unterscheidet, ist ihr Aussehen (nach eigener Einschätzung) und am Ende ihr Scheitern.
Kein Wunder also, das in »Der Arm des Kraken« der Massenmörder Fumio Onishi unversehens im verklärten Licht fernöstlicher Kampfkunst und der immer wieder geschilderten japanischen Tee- und Kochkultur erscheint. Auch der Hinweis der deutschen Freundin von Yuki Ozawa, bei Onishs Rachefeldzug bestehe die Gefahr, dass auch Unschuldige getötet werden, ändert daran nicht viel. Sodass am Ende nur die Einsicht bleibt, dass ein guter Thriller, der weder den moralischen Zeigefinger hebt, noch die Täter verklärt, nicht einfach zu schreiben ist, auch dann nicht, wenn man ein so guter Erzähler ist wie Christoph Peters.
Christoph Peters: Der Arm des Kraken. Roman. Luchterhand. 352 S., geb., 19,99 €.
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