»Fähre ist wie guter Blues«

Torsten Schwarz bringt Tag für Tag Menschen über den Rhein - es ist seine Berufung

  • Christoph Driessen, Bad Honnef
  • Lesedauer: 3 Min.
Schon mit 14 wollte Torsten Schwarz unbedingt Fährmann auf dem Rhein werden. Manch einer würde seine Arbeit wohl als monoton empfinden. Doch er selbst will niemals etwas anderes machen.

Torsten Schwarz fährt jeden Tag 150 mal über den Rhein. Seit 16 Jahren ist er Fährmann auf der Strecke von Bad Honnef (Nordrhein-Westfalen) nach Rolandseck (Rheinland-Pfalz) - und seitdem geht's immer hin und zurück, hin und zurück. Wobei: Was ist eigentlich der Hinweg? Kann man nicht sagen. Der Weg ist das Ziel, jedenfalls für den Fährmann. Manch einer würde eine solche Arbeit als monoton empfinden, doch für Schwarz ist es sein Traumjob. Schon mit 14 Jahren hat er damit begonnen, auf Deck die Autos einzuweisen. Immer wollte er Fährmann werden, aber sein Vater war dagegen. Der Opa väterlicherseits war als Binnenschiffer bei einem Sturz in den Laderaum umgekommen, der Opa mütterlicherseits hatte auf See ein Bein verloren.

So ließ sich Schwarz wohl oder übel erst einmal zum Elektroinstallateur ausbilden. Die Wochenenden verbrachte er weiter auf der Fähre. 1999 wurde er schließlich bei der Fährgesellschaft angestellt, und im Jahr darauf legte er seine Prüfung zum Fährführer ab. Seitdem ist er am Ziel. »Für mich ist das kein Job, sondern eine Berufung«, sagt der heute 38-Jährige. Es geht ihm um Verlässlichkeit: Egal ob Hitze oder Schnee, er bringt die Leute rüber. Nur bei extremer Hochwasserlage muss er an Land bleiben. Langweilig findet Schwarz seine Arbeit überhaupt nicht. Einmal hat er einen Hund vor dem Ertrinken gerettet, einmal hatten sie einen Bankräuber an Bord.

Aber auch an einem ganz normalen Tag vergeht die Zeit für ihn oft wie im Flug. »Jede Fahrt ist anders«, findet Schwarz. Immer muss man den Schiffsverkehr im Auge behalten. Auf der Fahrt nach Rolandseck plant er schon den Rückweg nach Bad Honnef und umgekehrt. Er schaut stromauf und stromab, ob da vielleicht ein großer Frachter oder ein Ausflugsdampfer in Sicht kommt, und überlegt sich, ob er noch schnell vor ihm vorbeifährt oder lieber etwas wartet. Auch das Treibholz muss er im Blick haben. Nach Gewittern schwimmen oft ganze Bäume den Strom hinunter. Ruderer können ebenfalls ein Problem sein: »Die sind wie wuselnde Radfahrer im Stadtverkehr.«

Einmal war Schwarz auf einem Weinfest, und da sprach ihn ein Hamburger an: »Du bist Schiffer!« Es war das ständige Sich-Umschauen, der sogenannte Radar-Blick, der ihn verraten hatte. Der Hamburger kannte das, er war Lotse.

»Fähre ist wie guter Blues«, sagt Schwarz. »Sie hat ihren eigenen Rhythmus.« Zurzeit genießt er die langen hellen Sommerabende. Dann kommt das schöne Licht im Herbst, wenn die baumbestandenen Hänge des nahen Siebengebirges in allen Rot- und Gelbtönen leuchten. Aber auch der Winter hat seinen Reiz: Ab dem späten Nachmittag sitzt Schwarz dann im Dunklen. Eine tiefe Ruhe gehe dann von dem nächtlichen Fluss aus, sagt er.

Zum Fährmann muss man geboren sein. Man ist sehr viel allein im Steuerhaus, man hat sehr viel Zeit zum Nachdenken. Deshalb ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass Schwarz in seiner freien Zeit Gedichte schreibt, zum Beispiel über den Fährmann an sich. Überschrift: »Der Quertreiber«.

Auch für die Passagiere bedeutet jede Fahrt einen kurzen Moment des Innehaltens. Man kann ja nichts tun, solange man an Bord ist. Die Radler stehen neben ihren Fahrrädern und schauen dem Ufer entgegen, die Autofahrer sitzen in ihren Wagen und blicken voraus. Eine Frau lehnt an der geöffneten Fahrertür. Niemand spricht.

Nach drei Minuten ist die Reise zuende, eine Schranke öffnet sich, die Autos fahren von Bord, Radler und Fußgänger gehen an Land, und dann kommen direkt die neuen Passagiere. Zwei Einweiser kassieren. So wird das immer weitergehen, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Bis Schwarz eines Tages in den Ruhestand geht. »Aber soweit im Voraus denke ich nicht«, betont er. »Der Fährmann lebt den Moment.« dpa/nd

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