Laut Statistik wächst die Wirtschaft
China veröffentlicht Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt - die Berechnungsgrundlage wurde zuvor angepasst
Wenn die Statistik nicht passt, passt man die Berechnungsmethode an? Dies scheinen sich Chinas Chefstatistiker zu sagen, die am Freitag Wachstumsdaten zum zweiten Quartal bekannt gaben und dabei eine neue Methode zur Berechnung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) anwendeten. Gemäß offizieller Sprachregelung reflektiere diese den »Beitrag der Innovation des Wirtschaftswachstums besser«. Tatsächlich scheinen die Daten so gewichtet, dass das Wachstum im zweiten Quartal gesünder und stabiler als von Analysten erwartet erscheint. Im Jahresvergleich legte das BIP um 6,7 Prozent zu, womit es auf dem gleichen Prozentwert wie im ersten Quartal verharrt.
Die Berechnungsanpassung sei nötig, informierte das China Internet Information Center, um dem »System of National Accounts« gerecht zu werden. Dieses wurde von fünf internationalen Organisationen eingeführt, darunter der UNO, um eine »umfassende und flexible Einteilung der makroökonomischen Datenlagen« zu ermöglichen. Mit der neuen Version ist etwa der Anteil von Chinas Industriesektor an der Wirtschaftsleistung gestiegen. Auch Einzelhandelsumsätze legten zu, obwohl es zu starken Einbrüchen bei Exporten und Importen im gleichen Zeitraum kam, was nicht nur auf Wechselkurseffekte zurückzuführen ist. Ein Vergleich mit Indien drängt sich auf, wo die Statistikbehörde die Berechnungsmethode 2015 änderte und das Wirtschaftswachstum für das Vorjahr um fast die Hälfte nach oben revidierte.
Deutlich wird aus Chinas neuen BIP-Zahlen auch, dass die Kreditvolumina zunehmen. China will offenbar noch mehr auf Pump wachsen. Das wirft die Frage auf, inwiefern dabei nachhaltiges Wachstum generiert wird, zumal die Kreditausfälle im Bankensystem im Mai einen Rekordwert erreichten.
Zudem haben Investitionen deutlicher nachgegeben als befürchtet. Umso mehr wird Chinas Wirtschaftsleistung weiter von Stimuli seitens der Regierung und der Zentralbank abhängen, um eine harte Landung zu verhindern. Auch der Umbau des Wachstumsmodells wird für Reibungsverluste sorgen: Billiges »Made in China« war gestern, das Reich der Mitte will nicht länger die Werkbank der Welt sein und strebt Mehrwert auf allen Ebenen an.
Die tatsächliche Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal dürfte auch deshalb weiter abgesackt sein. Das Statistikbüro hat aber die unangenehme Aufgabe, der Landesführung einerseits ein ungeschminktes Bild der Wirtschaft vorzulegen. Andererseits sollen Öffentlichkeit und Investoren den Eindruck von Wachstum behalten. Mit zunehmendem Wirtschaftsdruck wachsen die Probleme. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Daten während Boomzeiten abgeflacht, bei Konjunkturschwächen aufgepeppt und generell geglättet werden, um Stabilität und Kontinuität zu suggerieren. Statistiken dienen als politisches In-strument. Laut der »New York Times« haben Beamte im Nordosten seit Jahren Daten überhöht, was jüngste starke Einbrüche der Zahlen aus der Region erklären würde. Die Daten aus den Regionen sind wiederum Grundlage der landesweiten Statistik.
»Die internationale Glaubwürdigkeit von Chinas BIP-Zahlen ist ohnehin nicht sehr groß«, sagte Diana Choyleva, Chefökonomin der Londoner Wirtschaftsberatungsfirma Lombard Street Research. Sie schätzt das BIP für 2015 auf 3,2 Prozent, weniger als die Hälfte der offiziellen Zahl.
Auch der Abfluss von Kapital nimmt zu, während der Yuan schwächelt. Der Finanzfirma Standard Chartered zufolge flossen 2015 rund 900 Milliarden Dollar ins Ausland, exklusive Investitionen, was Chinas Zentralbank zum Anzapfen von Währungsreserven zwingt, damit Banken Kredite vergeben können und die Beschäftigungsquote nicht absackt. Die Statistiken zeigen ein solides Bild der Gesamtwirtschaft. Zugrunde liegende Faktoren indes zeigen Warnsignale.
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