In der Giftmord-Affäre Litwinenko haben russische und britische Ermittler am Montag den russischen Ex-Spion Andrej Lugowoi befragt. Derweil häufen sich auch in Deutschland Ungereimtheiten.
Lugowoi und Dimitri Kowtun, ein weiterer russischer »Geschäftsmann«, der gleichfalls mit Polonium-Vergiftungserscheinungen in einer Moskauer Klinik liegen soll, könnten Schlüsselfiguren im Litwinenko-Fall sein. Beiden wird eine Bindung an den KGB und den Nachfolgedienst FSB nachgesagt. Sie entwickelten seit dem 16. Oktober eine rege Reisetätigkeit zwischen Moskau, London und - zumindest Kowtun - nach Hamburg.
Am 1. November hatten sich die beiden in der »Pine Bar« des Londoner Hotels »Millennium« mit dem desertierten FSB-Agenten Alexander Litwinenko getroffen. Hier, so meinen Ermittler von Scotland Yard, sei ihm das Gift verabreicht worden. Am Folgetag zeigte er Vergiftungssymptome und starb am 23. November in London.
Die Ermittler fanden dem »Daily Mirror« zufolge ein Busticket in der Jacke des vergifteten Ex-Spions. Es sei am 1. November gekauft worden, der Bus weise keine Polonium-210-Spuren auf, wohl aber fand man die im Hotel.
Die deutschen Behörden - inzwischen verstärkt durch einen Scotland-Yard-Beamten - recherchieren vor allem zu Kowtun. Es gibt Merkwürdigkeiten. Bereits in einer British-Airways-Maschine, mit der er und Logowoi am 25. Oktober von Moskau nach London geflogen sind, sollen Spuren des Polonium-Isotops nachgewiesen worden sein. Am 28. Oktober flog Lugowoi nach Moskau, Kowtun nach Hamburg. Man wies Poloniumspuren in dem BMW nach, mit dem er vom Hamburger Flugplatz abgeholt wurde.
Warum Kowtun dort statt in seine Wohnung in die seiner Ex-Frau ging, ist unklar. Doch vermutlich nicht den Fahndern. Kowtun wurde überwacht. Wie sonst ist es zu erklären, dass das BKA zielsicher nur diese Wohnung untersuchte? Auch ein Besuch im Ausländeramt war bekannt. Bei der Ex-Frau Kowtuns, ihren ein und drei Jahre alten Kindern und ihrem Lebensgefährten stellte man Anzeichen für Kontamination fest. Gleichfalls mit Bedacht durchsuchte man das Gehöft der Ex-Schwiegermutter in Haselau, Kreis Pinneberg, »positiv«. Die Maschine, mit der Kowtun am 31. Oktober erneut nach London flog, war dagegen »sauber«.
Kowtun hatte mit Sicherheit Verbindungen zum BND. Wie sonst war es dem Sowjet-Offizier, der in der DDR stationiert war und - wie eine gewöhnlich zuverlässige Quelle sagt - nach dem Zusammenbruch der UdSSR desertierte, problemlos möglich, in Deutschland zu heiraten, eine Unternehmungsberatung aufzubauen und sofort ein unumschränktes Aufenthaltsrecht zu erhalten? Unklar ist, wie aktiv die Beziehungen zu westlichen und russischen Diensten noch sind.
Der Fall hat Schatten auf das deutsch-russische Verhältnis geworfen. Moskaus Botschafter in Berlin, Wladimir Kotenew, wehrte sich gegen Ermahnungen von Kanzlerin Angela Merkel. »Wir sind nicht minder interessiert, die Wahrheit zu erfahren«, betonte der Diplomat.