»O Canada« geschlechtsneutral
Nach der Nationalhymne prüft die Regierung auch die Modernisierung der Ausweise
Kanadas Bundesparlament hat beschlossen, den englischen Text der Nationalhymne (»O Canada«) punktuell zu ändern und so geschlechtsneutral zu machen. Die Änderung, vom Oberhaus noch zu bestätigen, wurde als Schritt zu mehr Inklusion gewertet. Sie fügt sich ein in erste Modernisierungsschritte der neuen Regierung der Liberalen von Justin Trudeau, der vor knapp einem Jahr ins Premiersamt gekommen war. Sie betrafen bisher neues Herangehen an die Themen Einwanderung, Umweltschutz und Umgang mit Ureinwohnern. Trudeau kündigte an, auch die landesweite Einführung geschlechtsneutraler Personalausweise zu prüfen. Er gab dies am Rande der Gay-Pride-Parade in Toronto bekannt, an der er als erster Regierungschef Kanadas teilnahm.
Der Gesetzentwurf zur Hymne würde bei endgültiger Billigung durch die zweite Parlamentskammer die Textstelle »True patriot love in all thy sons command« ändern in »… in all of us command«. Die Mitglieder des Senats sind im Unterschied zum Unterhaus nicht gewählt, sondern ernannt. Sie folgen in aller Regel den Mehrheitsbeschlüssen des Unterhauses. Der persönliche Gesetzentwurf des Abgeordneten Mauril Bélanger von den regierenden Liberalen wurde im Unterhaus mit großer Mehrheit angenommen. »Mit meiner Vorlage zolle ich allen Frauen Dank und Respekt, die an dem Kanada mitgearbeitet und mitgekämpft haben, wie wir es heute kennen. Ich möchte, dass endlich ihr Beitrag und ihre Opfer gewürdigt werden«, betonte er. Kanada ist nicht der erste Staat, der seine Wahrnehmung durch Änderungen am Text der Landeshymne modernisieren will. 2012 etwa änderte Österreich seine Hymne mit ähnlichem Beweggrund.
Justin Trudeau, Sohn des langjährigen Regierungschefs Pierre Elliott Trudeau, hat das Gleichberechtigungsthema zu einem Schwerpunkt seiner Gesellschaftspolitik gemacht und zum Beispiel sein 30-köpfiges Kabinett erstmals zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt. Frauenministerin Patty Hajdu hatte vor der Hymnenabstimmung erklärt: »Ich glaube, die Maßnahme ist ein starkes Symbol für die Ernsthaftigkeit unserer Verpflichtung zur Geschlechtergleichbehandlung.« Einige Abgeordnete der Konservativen Partei lehnten die Textänderung ab, weil sie nach ihrer Ansicht ohne ausreichende Konsultation der Kanadier erfolge. Die Vorgängerregierung der Konservativen hatte schon 2010 Änderungsvorschläge für den Wortlaut der Hymne unterbreitet, sie aber wieder fallen lassen, nachdem es einen öffentlichen Aufschrei gab. Insgesamt gab es vor dem jetzigen Schritt bereits zehn gesetzgeberische Vorstöße. Sie scheiterten am Widerstand konservativer Angeordneter, die Veränderungen »grammatikalisch unnötig« nannten und darauf verwiesen, dass die meisten kanadischen Soldaten männlich seien.
Die Melodie von »O Canada« wurde 1880 komponiert; der anfängliche Originaltext war in Französisch. Der Text zur englischen Version, 1908 fertiggestellt, ist keine direkte Übertragung der französischen Fassung. Erst 1980 ersetzte sie die britische Nationalhymne »God save the Queen« und wurde als offizielle Hymne Kanadas angenommen. Nach dem jetzigen Votum im Unterhaus kam es zu einer ungewöhnlichen Szene: Die Abgeordneten erhoben sich und sangen die Hymne in beiden Landessprachen - probehalber wohl auch schon mal mit geändertem Text. David Kendall, Fachmann in Sachen Nationalhymnen, ist angesichts der Mehrheit der Liberalen optimistisch, dass die Änderung Gesetzeskraft erlangt. »Es gibt im Land eine relativ kleine Zahl von Menschen, die die Änderung wirklich wünscht, und eine recht kleine Zahl, die kategorisch dagegen ist. Den meisten Kanadiern sind die Textfeinheiten egal, solange sie nur die Hymne beim Eishockey mitsingen können.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.