In kleinen Schritten zu mehr Kinderbetreuung
Die Zahl der unter Dreijährigen in den Kitas steigt, aber der Bedarf liegt weiter über dem Angebot
Die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren bessern sich schrittweise. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden wurden zum 1. März dieses Jahres 721.000 Kleinkinder in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. 2015 hatte es noch ein Plus von 4,9 Prozent bei der Betreuung gegeben. Nun fiel der Anstieg mit 26.000 Kindern beziehungsweise 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr etwas schwächer aus. Inzwischen geht etwa jedes dritte Kind unter drei Jahren hierzulande in eine Kita oder es wird von Tageseltern betreut.
Eine Mehrheit der Eltern (85,1 Prozent) nutzt die Tagesbetreuung in Einrichtungen. Dagegen spielt die Kindertagespflege eine geringere Rolle. Dieses Angebot wird von 14,9 Prozent der Eltern genutzt. Im März 2016 existierten bundesweit 54.823 Einrichtungen sowie 43.489 Tagespflegemütter und -väter. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Kindertageseinrichtungen um 0,5 Prozent an. Die Zahl der Kindertagespflegepersonen nahm um 1,4 Prozent ab.
Die Voraussetzungen in den Bundesländern sind sehr unterschiedlich. Ostdeutsche Flächenländer haben bereits hohe Betreuungszahlen erreicht und deswegen oft nur noch geringe Steigerungen. Einen größeren Nachholbedarf haben westdeutsche Bundesländer. Am stärksten stieg die Zahl der Kleinkinder, die nicht zu Hause betreut wurden, mit 7,0 Prozent in Bremen, in Sachsen-Anhalt mit 1,7 Prozent am geringsten. 2015 lag die Betreuungsquote für unter Dreijährige im Spitzenreiterland Sachsen-Anhalt bei 57,9 Prozent. Schlusslicht war Nordrhein-Westfalen mit 25,8 Prozent. Problematisch ist aber in den ostdeutschen Ländern der Betreuungsschlüssel. Nach Zahlen der Bertelsmann Stiftung ist eine ostdeutsche Erzieherin durchschnittlich für 6,1 Krippenkinder zuständig, während eine Westdeutsche im Schnitt 3,6 Jungen und Mädchen betreut.
Die Nachfrage dürfte weiter steigen. Das liegt zum einen an den steigenden Geburtenraten und zum anderen an der Aufnahme von Flüchtlingskindern. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte weitere Investitionen an. In den kommenden Jahren sollten die Bundesländer weitere 1,1 Milliarden Euro vom Bund für zusätzliche Plätze in Kitas und in der Kindertagespflege erhalten. Außerdem stehe ihnen das frei gewordene Betreuungsgeld von rund zwei Milliarden Euro zur Verfügung, um in die Qualität der Einrichtungen zu investieren, sagte Schwesig.
Das Bundesverfassungsgericht hatte das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, im Juli 2015 gekippt, weil für Familienleistungen die Länder und nicht der Bund zuständig sind. Das Betreuungsgeld war einst auf Drängen der CSU eingeführt worden. Nun wird die als »Herdprämie« verspottete Leistung in Höhe von 150 Euro von der bayerischen Staatsregierung als Landesleistung weiter gezahlt.
Seit dem 1. August 2013 besteht für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein bundesweiter Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter. Wenn Eltern in ihrem Wohnort nicht fündig werden, können sie beispielsweise vor Gericht versuchen, im Eilverfahren eine einstweilige Anordnung auf Zuweisung eines Kitaplatzes zu erstreiten. Damit dies in Zukunft nicht allzu oft vorkommt, hat Schwesig das Ziel einer möglichst flächendeckenden Betreuung ausgegeben.
Doch zwischen Anspruch und Realität klafft eine Lücke. Norbert Müller, kinderpolitischer Sprecher der Linksfraktion, kritisierte, dass »eine Betreuungsquote von 35 Prozent – die viel zu niedrig ist, um dem allgemeinen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zu entsprechen – noch lange nicht in allen Bundesländern erreicht ist«. Der Bedarf liege weiter deutlich über dem Angebot. Laut Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ergibt sich eine Lücke von rund 165.000 Betreuungsplätzen. Müller forderte die Bundesregierung auf, für den Ausbau der Kitabetreuung mehr Geld in die Hand zu nehmen. Die Linksfraktion geht von einem bestehenden jährlichen Finanzierungsdefizit von bis zu zehn Milliarden Euro aus.
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