Lieber im Hörsaal als auf der Parkbank

Senioren in Rostock fordern Erhalt »ihrer« Akademie

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»Vom Trog zum Teller« ist ein Vortrag betitelt, der sich mit dem Zusammenhang von Tierfutter und menschlicher Ernährung befasst, ein anderes Referat widmet sich dem Handelsabkommen TTIP. Und wer es lieber klassisch mag, wählt vielleicht ein Seminar zu »Tragikthemen und attische Tragödie«. Drei Beispiele nur aus dem umfangreichen Programm der Seniorenakademie von Rostock (Mecklenburg-Vorpommern). Mit ihr wendet sich die Universität seit 22 Jahren an Menschen, die den Hörsaal der Parkbank vorziehen. Wird ihnen das Angebot aus Literatur, Kunst, Geschichte und anderen wissenschaftlichen Bereichen genommen?

Vor kurzem, so berichtet die Ostsee-Zeitung, sei den Teilnehmern auf der letzten Veranstaltung des Sommersemesters »das Ende mitgeteilt worden«. Die Seniorenakademie müsse geschlossen werden, und zwar infolge neuer Bestimmungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.

Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich eine Rechtsnorm des Bundes, die den Einsatz von Zeitarbeitskräften an Hochschulen regelt und in seiner früheren Form oft kritisiert worden war. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten auf Teilzeitstellen die Arbeit von Vollzeitkräften leisten, zu viele Beschäftigte mit befristeten Verträgen eben, hieß es. Die Reform jenes Gesetzes sollte Verbesserungen bringen, aber auf den personellen Hintergrund der Seniorenakademie wirkt sie sich ungünstig aus, denn sie besagt unter anderem: Wissenschaftler dürfen keine administrative Arbeit leisten, »wenn sie nicht an eine konkrete Qualifikation gebunden ist«. Folge: Die Organisatorin der Seniorenakademie ist bereits entlassen worden.

Die Teilnehmer, im letzten Semester 660 Frauen und Männer zwischen 46 und 88 Jahren, sind traurig und zornig zugleich über diese Entwicklung. Sie sammeln Unterschriften für eine Eingabe mit dem Ziel, dass es weitergeht mit »ihrer« Uni.

Das will man auch, betont die Universitäts-Leitung in einem Statement. Dessen einleitender Satz - »die Information, die Seniorenakademie zu schließen, trifft nicht zu« - dürfte allerdings eher ein Wunsch als eine Feststellung sein, denn dann ist zu lesen: Man »wolle« die Akademie »in jedem Fall erhalten«. Denkbar sei die Anbindung an einen Verein.

Die LINKE im Schweriner Landtag verbindet ihr Plädoyer zum Erhalt der Akademie mit Kritik an Uni-Rektor Wolfgang Schareck. Er wisse seit vielen Monaten von der Gesetzesänderung, rügt die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Simone Oldenburg. »Er hat die Zeit verstreichen lassen und die Entlassung der Kollegin, die die Akademie organisiert hatte, billigend in Kauf genommen.« Der jetzige Ruf nach Weiterbeschäftigung über einen Verein sei unglaubwürdig. Maßnahmen zum Erhalt der Senioren-Uni, so Oldenburg, hätten bereits 2015 geplant werden müssen.

Hilfe vom Land zum Erhalt der Akademie erwartet der Bildungsexperte der Landtagsgrünen, Johannes Saalfeld. Im Sinne des Arbeitnehmerschutzes sei es zwar richtig, dass mit dem neuen Gesetz »unanständige Kettenverträge« an den Hochschulen verhindert werden. Aber die Universitäten litten unter einem »zu enge Finanz- und Personalkorsett« und könnten demzufolge befristete Angestellte nicht auf unbefristete Stellen setzen. »Deswegen wird die Senioren-Uni jetzt wohl eingestellt«, befürchtet Saalfeld und fordert: Die SPD/CDU-Landesregierung sei am Zuge und dürfe die Hochschule nicht im Regen stehen lassen.

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