Nicht wie jene
Soulpunk: Family 5
Grob geschätzt wird in Deutschland alle drei Tage von irgendeiner Organisation, die Reklame für sich machen möchte, oder irgendeiner Stadt, in die noch zu wenig Touristen kommen, irgendein Literaturpreis vergeben, der August-Graf-von Platen-Preis der Stadt Ansbach oder der Förderpreis für Literatur der Landeshauptstadt Düsseldorf beispielsweise. Und es gibt so etwas wie ein unausgesprochenes Gesetz, dass diese Preise mit der Regelmäßigkeit eines Schweizer Uhrwerks den immergleichen an zwei Händen abzuzählenden Strebern und Sonntagvormittags- und Sonntagnachmittagsdichtern zugesprochen werden, also jenen Leuten, deren Gedichtbände Titel tragen wie »Regentonnenvariationen« oder »Schädelbasislektion«. Wenn es sich um Dichterinnen handelt, sind es elfenhafte Figuren, die auf dem Autorenfoto, mit dem ihr Buch versehen ist, entrückt lächelnd an einem Baum lehnen. Das eine oder andere Bundesverdienstkreuz liegt schon bereit.
Der Düsseldorfer Dichter und Sänger Peter Hein wird in näherer Zukunft nichts dergleichen bekommen: keinen Stadtschreiberpreis, keine Poetik-Dozentenstelle und auch kein Verdienstkreuz. Denn er hat etwas, das die Stadtschreiberpreisentgegennehmer nicht haben: Haltung, Talent. Und er textet weder Sonntagvormittags- noch -nachmittagslyrik. Er ist ein Nichteinverstandener: »Ich bin nur einer von den Typen/Denen sie das Leben verbieten«.
»Das beste Buch des Jahres ’81 ist eine Schallplatte: ›Monarchie und Alltag‹ von den Fehlfarben«, schrieb der Schriftsteller Peter Glaser Anfang der 80er Jahre einmal. Hein, von dem die Texte auf dieser Platte stammen, gehört den Düsseldorfer Postpunk-Institutionen Fehlfarben, gegründet 1979, und Family 5 an, gegründet 1981.
Jetzt erscheint die erste Family-5-Platte seit zwölf Jahren. Das Cover ist im Design des kubanischen Ein-Peso-Scheins gestaltet: Doch wo auf dem Geldschein Fidel Castro und seine Mitrevolutionäre in der Pose der auf dem Panzer einziehenden Befreier zu sehen sind, sind auf dem Family-5-Cover die Bandmitglieder in dieser Pose abgebildet. Und statt Castro grüßt hier Peter Hein in der Uniform des Revolutionärs die Bevölkerung. Manchmal werden Heins Texte auch hymnisch, ein wenig pathetisch, als seien sie da zur Selbstvergewisserung über den eigenen Standpunkt, die eigene Unkorrumpierbar- und Unnachgiebigkeit: »Stolpere nicht/Wohin dein Weg auch führt/Du bist nicht allein/Auch wenn du das manchmal meinst/Du hast so oft nachgezählt/Du hast geahnt, wer wen wählt/Du hast dich trotzdem nicht vertschüsst/Du bist deshalb noch jemand, den man grüßt/Du darfst auch mal den Mut verlieren/Du darfst auch Peinliches riskieren/Du darfst dich wie du willst gebärden/Du darfst nur niemals wie jene werden.« Nein, man muss kein Staatsdichter sein und brav mitwurschteln. Es geht auch anders.
Family 5: »Was zählt« (Tapete)
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