Fluchtgrund Klimawandel: Im Prinzip ja, aber ...
Die Bundesregierung nimmt Stellung zu Konflikten, die auch durch Umwelteinflüsse ausgelöst wurden
Die Bundesregierung sieht den globalen Klimawandel als eine Fluchtursache an. Das geht aus den Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die »nd« vorliegt. In ihrer Anfrage bezogen sich die Fragesteller vor allem auf den Klimawandel und die Migration im Nahen Osten und Nordafrika, der sogenannten MENA-Region: Diese erstreckt sich südlich des Mittelmeeres von Marokko bis Ägypten nach Sudan, Somalia und Dschibuti, östlich des Mittelmeeres von Jemen über die Länder der arabischen Halbinsel bis nach Syrien, die Türkei und Irak.
Die MENA-Region gilt als einer der globalen Brennpunkte klimabedingter Veränderungen - und wird gerade politisch bis hin zum Krieg erschüttert. »Der Klimawandel ist für Millionen spürbare Realität, das zeigt die Antwort der Bundesregierung ohne Zweifel: Die Erderwärmung in der Region des Nahen und Mittleren Ostens befeuert schon heute gesellschaftliche Krisen, ist Katalysator für Kriege und hat direkten Einfluss auf die Wirtschaftslage, auf Preise der Lebenshaltung und die Versorgung mit Nahrungsmittel und Wasser«, sagt Eva Bulling-Schröter, Klima- und Energiepolitikerin der Linksfraktion im Bundestag. Auf der Suche nach dem Überleben zögen Millionen vom Land in die Städte, oder machten sich auf Richtung Norden, um in Europa Geld für ihre Familien verdienen zu können.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD von 2013 wurden mehr Forschung zu Klimawandelfolgen, Anpassungshilfe für betroffene Länder im globalen Süden und Engagement für Klimaflüchtlinge angekündigt. In der aktuellen Debatte um Fluchtursachen spielt der Klimawandel jedoch kaum eine Rolle - dabei stellt er nach Ansicht von Bulling-Schröter gerade in der MENA-Region einen entscheidenden Faktor dar: Die historische Verantwortung für die Beeinträchtigung der Lebensbedingungen von Marokko bis Syrien durch den Klimawandel liege bei den Industrieländern, ihr Reichtum wurde und werde durch die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl erzielt. Daraus leiteten sich Verpflichtungen ab, die das Pariser Klimaabkommen erneut formuliert habe. »Wer den Gewinn der fossilen industriellen Revolution hatte, der muss auch für die Schäden aufkommen«. Hierbei seien die EU und Deutschland ganz besonders in der Pflicht. »Eine Abschottung gegenüber dem Rest der Welt durch Grenzzäune an den Außengrenzen und eine restriktive Asyl- und Einwanderungspolitik sind unmoralisch, inhuman und kurzsichtig«, so Bulling-Schröter.
Im Detail fragte die Linksfraktion auch nach, ob der Bundesregierung auch Erkenntnisse darüber vorlägen, dass Folgen des Klimawandels auch Ursache oder Auslöser von Anti-Regierungsprotesten, beispielsweise im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings ab 2011 sein könnten. Der Klimawandel besitzt nach Ansicht der Bundesregierung außen- und sicherheitspolitische Relevanz, da seine schleichenden Auswirkungen zu regionalen Destabilisierungen mit globalen Effekten führen können. In ihrer Antwort verneint die Regierung aber zum Beispiel im Fall Syrien, Kenntnisse über kausale Zusammenhänge für einzelne Staaten zu haben, dort ließe sich bislang »keine direkte Kausalität zwischen Dürre, Migration und Konfliktausbruch« finden. So liegt die Interpretation nahe, dass sie den Klimawandel zwar generell als Fluchtursache anerkennt - im individuellen Fall oder in Bezug auf konkrete Staaten aber nicht.
Die LINKE fordert daher zuerst eine Diskussion über eine rechtliche Verankerung eines Status Klimaflüchtling in nationalem und Völkerrecht. Außerdem müssten die öffentlichen Gelder für Anpassung an den Klimawandel vor Ort massiv aufgestockt werden. Und es müsse ein Umdenken stattfinden - »über die Zusammenhänge von Migration und unserem Wohlstand, statt im ganzen Land Bundeswehrplakate für Werbung mit Auslandseinsätze aufzuhängen«, kritisiert Bulling-Schröter.
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