Generäle kämpfen um neue Verfassung

Militärjunta geht harsch gegen oppositionellen Rothemden vor / Militärregierung stellt neue Verfassung vor

  • Mathias Peer
  • Lesedauer: 3 Min.

Bangkok. Die Person, die in dem Ganzkörperkostüm von Thailands neuem Wahlmaskottchen steckt, führt die Parade an. Neben ihr trottet ein Baby-Elefant und dahinter noch ein paar ausgewachsene Exemplare. Die menschlichen Begleiter strecken Poster in die Höhe: Geht wählen, lautet die Botschaft an die Schaulustigen, die den Umzug in der thailändischen Provinz Ayutthaya beobachten.

Zum ersten Mal seit dem Militärputsch vor mehr als zwei Jahren dürfen rund 50 Millionen wahlberechtigte Thailänder am Sonntag wieder an der Wahlurne über ihre Zukunft entscheiden. Die herrschende Militärjunta legt ihnen den Entwurf einer neuen Verfassung vor, die in dem Referendum entweder abgesegnet oder zu Fall gebracht werden könnte. Die Abstimmung könnte Hinweise darauf liefern, wie viel Rückhalt das mit harter Hand regierende Regime in der Bevölkerung tatsächlich hat.

Beobachter weisen allerdings auf die strengen Vorschriften der Junta hin, die Wahlkampagnen im Vorfeld des Referendums verbot und unter Strafe stellte. »Das ist kein demokratischer Prozess«, sagte Charles Santiago, Vorsitzender der südostasiatischen Parlamentariergruppe für Menschenrechte. »Die Behörden haben sich aktiv darum bemüht, eine informierte Debatte zu unterbinden.«

Zahlreiche Regimekritiker wurden vor der Abstimmung festgenommen. Ihnen warf die Junta vor, unter anderem mit dem Verteilen von Flugblättern gegen den Verfassungsentwurf Stimmung zu machen. Zehn Jahre Haft drohen dafür nach den von den Generälen erlassenen Regeln. Sogar zwei achtjährige Schulmädchen wurden von der Polizei angezeigt, weil sie gegen die Wahlgesetze verstoßen haben sollen. Gleichzeitig startete die Regierung eine beispiellose PR-Aktion: Mehr als 700.000 Menschen ließ sie ausbilden, um den Verfassungsentwurf in Dorfgemeinschaften zu erklären. Ihre Mission lautet der Zeitung »Bangkok Post« zufolge, die Vorzüge der Verfassung vorzustellen.

Sich mit neuen Verfassungen auseinanderzusetzen, sind die meisten Thailänder gewohnt. Das neue Dokument wäre im Fall eines Ja-Votums Thailands 20. Grundgesetz seit dem Ende der absoluten Monarchie im Jahr 1932. Im Schnitt bekam das südostasiatische Land damit alle viereinhalb Jahre eine neue Verfassung.

Fachleuten zufolge ist der nun vorgelegte Entwurf, den die Junta von einem Verfassungskomitee ausarbeiten ließ, in weiten Teilen vergleichbar mit früheren Verfassungen. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch die Rolle, die das Dokument der Militärregierung zuschreibt: »Die Verfassung installiert die Junta als legale Kraft für die absehbare Zukunft«, sagt der in Thailand lehrende Südostasienwissenschaftler David Streckfuss.

Der Forscher verweist auf die geplante Zusammensetzung des Senats, die über die kommenden fünf Jahre laut dem Verfassungsentwurf allein von der Junta bestimmt werden soll. Damit könnte das Militär auch nach der Machtübergabe an eine zivile Regierung die Geschicke des Landes weiterhin lenken. »Die Thailänder bekommen nicht nur eine neue Verfassung«, sagt Streckfuss. »Sie bekommen auch die Junta.«

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