Politische Artistik beim Dreiergipfel

In Baku treffen sich am Montag die Staatschefs von Russland, Iran und Aserbaidschan

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein ungewohntes Treffen und wichtige Vorbereitungen zum Gipfel Russland-Türkei sieht am Vortag die Hauptstadt Aserbaidschans.

Die Konstellation hat es so noch nicht gegeben. Erstmals treffen sich Montag die Staatschefs Russlands, Irans und Aserbaidschans - Wladimir Putin, Hassan Rohani und Ilham Alijew - zu einem Dreiergipfel in Baku. Es geht um internationale und regionale Politik: um Syrien, Aufteilung der Kaspi-See und Konfliktmanagement in Berg-Karabach. Das ist Aserbaidschans Armenier-Region, die sich 1988 abspaltete. Auf der Tagesordnung stehen auch wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit.

Unsichtbar sitzt ein Vierter mit am Tisch: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, mit dem Putin sich am Dienstag im russischen St. Petersburg offiziell versöhnen will. Der Neustart, mit dem offenbar niemand rechnete, als im April die Vorbereitungen für das Dreiertreffen in Baku begannen, verlangt dem Kremlchef politische Hochseil-Äquilibristik der Spitzenklasse ab.

Um bei den Verhandlungen mit Erdogan möglichst viel für Russland herauszuholen, darf Putin am Vortag seinem iranischen Amtskollegen nicht zu weit entgegenkommen. Aus dem gleichem Grund muss er stärker als bislang auf die Interessen des Gastgebers in Karabach Rücksicht nehmen. Wegen der nahen ethnischen Verwandtschaft einigten sich Erdogan und Alijew schon vor Jahren auf die Formel: zwei Staaten, eine Nation.

Kommt Putin Aserbaidschan zu weit entgegen, gibt es Ärger mit Moskaus derzeit einzigem Verbündeten im Südkaukasus: Armenien. Verstimmt wäre auch dessen zweite Schutzmacht Teheran. Weil Aserbaidschan und die Türkei wegen Karabach 1993 ihre Grenzen zu Armenien schlossen, wird dessen Außenhandel nahezu komplett über Iran abgewickelt.

Weil es gespannt und historisch belastet ist, kann auch das Verhältnis Teheran-Baku für Putin als Minenfeld gelten. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ganz Aserbaidschan von Iran kontrolliert. Der Süden, wo die Mehrheit der Aseri lebt, ist bis heute iranische Provinz ohne Autonomierechte. Eine Befreiungsfront kämpft tief im Untergrund für die Wiedervereinigung mit dem Norden. Auch gibt es in der Kaspi-See Öl und Gasfelder, die beide gemeinsam beanspruchen.

Russlands Verhältnis zu Iran ist ebenfalls nicht ungetrübt. Beider Interessen überlappen sich im Südkaukasus und in Zentralasien. In beiden Regionen oft auch mit denen der Türkei. Zarenreich und Sowjetunion versuchten, die Nebenbuhler um das Einflussmonopol gegeneinander auszuspielen ,und waren damit zuweilen erfolgreich.

Putins außenpolitisches Konzept, das den Nahen und den Mittleren Osten erstmals als Gesamtkunstwerk wahrnimmt, ist ein anderes: Pragmatismus, bei dem Russland bemüht ist, durch Ausgleich zwischen den Interessen der wichtigsten Akteure selbst den goldenen Schnitt zu machen.

Die Rechnung könnte aufgehen, glaubt Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow. Mit Erdogan, Rohani und Alijew seien derzeit auch in Ankara, Teheran und Baku Pragmatiker an der Macht. Allerdings würden sich deren Positionen zu den großen Themen der internationalen Politik nur bedingt decken. Und wenn, seien sie - vor allem in Syrien - unterschiedlich motiviert. Teheran, Moskau und Baku seien jedoch an einer Intensivierung der Wirtschaftskooperation interessiert. Diverse Projekte seien auch für die Türkei interessant, die sich nach westlicher Kritik an den »Säuberungen« nach dem missglückten Putsch noch mehr nach Osten orientiert.

Gemeint war vor allem der Ausbau des Nord-Süd-Korridors, der auch in Baku - bei den Dreiertreffen und bei Putins bilateralen Unterredungen mit Rohani und Alijew - ganz oben auf der Agenda steht: eine über Baku und Teheran führende durchgehende Bahnverbindung von Moskau bis zum Persischen Golf.

Diesen Auftrag und mehrere andere sicherte sich Bahnchef Oleg Beljosorow bei seinem Iran-Besuch Mitte Mai bereits. Auch russische Rüstungsschmieden hoffen auf gute Geschäfte. Zwar gilt für Iran noch das Lieferembargo für Angriffswaffen. Doch Russland, sagt Rüstungsexperte Ruslan Puchow, habe auch andere »schöne Dinge«. Panzerfahrzeuge und modernste Luftabwehr. Die ersten S-300 Systeme, deren Lieferung Moskau mit Rücksicht auf Israel 2009 einfror, seien bereits in Iran.

Putin und Rohani wollen in Baku auch über militärische Zusammenarbeit, darunter gemeinsame Seemanöver, reden. Moskau geht es dabei weniger um die Kaspi-See, die keine Verbindung zu den Weltmeeren hat, sondern um den Persischen Golf, derzeit faktisch ein Binnengewässer der 5. US-Flotte.

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