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Kein ewiges Eis in Petersburg

Präsidenten Russlands und der Türkei nahmen »Dialog und Beziehungen« wieder auf

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch bevor die Maschine mit Recep Tayyip Erdoğan gegen 13 Uhr Ortszeit landete, galt in St. Petersburg der sicherheitstechnische Ausnahmezustand. Im Vorort Strelna waren sogar Scharfschützen auf den Dächern in Stellung gegangen. Im feudalen Ambiente des aufwendig restaurierten Konstantin Palastes harrte der Kremlchef des erlauchten Gastes.

Es ist die erste Auslandsreise des türkischen Präsidenten nach dem missglückten Putschversuch Mitte Juli und die erste Begegnung mit Amtskollegen Wladimir Putin nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im November 2015. Danach fror Moskau alle Kooperationsprojekte ein, verhängte Sanktionen und berief seinen Botschafter ab. In der diplomatischen Praxis der letzte Schritt vor einer Kriegserklärung.

Nach Erdoğans nicht ganz lupenreiner Entschuldigung im Juli zeigte Moskau sich bereit, das Embargo etappenweise aufzuheben. Die russisch-türkischen Beziehungen seien auf ein sehr niedriges Niveau abgeglitten, sagte Putin gleich nach dem festen Händedruck mit Erdoğan. Dessen Besuch spreche jedoch für den Wunsch, den Dialog im Interesse beider Völker und Staaten wiederaufzunehmen. Er wolle mit seinem Gast »den gesamten Komplex der Beziehungen, darunter Terrorismusbekämpfung und Wirtschaftskontakte«, erörtern.

Er und der »teure Wladimir«, erwiderte Erdoğan, würden eine neue Seite im Buch der russisch-türkischen Beziehungen aufschlagen. Er hoffe auf »Vertiefung der Zusammenarbeit«. Damit werde man einen gemeinsamen Beitrag zur Lösung vieler Probleme in der Region leisten. Der »Rat für Zusammenarbeit auf hoher Ebene« solle reanimiert werden. Er wird von beiden Präsidenten geführt, die nächste Tagung soll Anfang 2017 in der Türkei stattfinden.

Ausdrücklich dankte Erdoğan Putin für das Treffen und für dessen Unterstützung nach dem Putschversuch. Putin sei unter den ersten gewesen, die ihn danach kontaktiert hätten.

Über Details der Rückkehr zur Normalität verständigten sich beide Präsidenten zunächst in einem fast zweistündigen Gespräch. Später stießen ranghohe Amtsträger beider Seiten hinzu. Darunter die Außenminister Sergei Lawrow und Mevlüt Çavuşoğlu, Putıns außenpolıtıscher Berater Jurı Uschakow und der ın Ankara für Außen- und Sicherheitspolitik zuständige Vizechef des Präsidentenamtes, Ibrahim Kalın. Russlands Energieminister Alexander Nowak und Gaspromchef Alexei Miller.

Beobachter ließ aufmerken, dass auch der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow und hohe Chargen türkischer Geheimdienste am Tisch saßen. Nach einer gemeinsamen Pressekonferenz trafen sich Putin und Erdoğan mit russischen und türkischen Unternehmern.

Beste Absichten hatte Erdoğan vor dem Abflug in einem Exklusivinterview für die russische Nachrichtenagentur TASS kundgetan. Darin nannte er Putin seinen »Freund« und warf Europa »Wortbruch« vor. Die EU-Beitrittsverhandlungen würden sich, obwohl die Türkei alle Forderungen erfüllt habe, bereits 53 Jahre hinschleppen. Auch habe man für die bereits über drei Millionen Flüchtlinge mehr als 20 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Die EU helfe nicht und habe bisher nur 500 Millionen Dollar überwiesen.

Westliche Vorwürfe einer schleichenden Islamisierung seien haltlos. Er werde den säkularen Status der Türkei nicht ändern und habe das in den letzten Jahren mehrfach unter Beweis gestellt.

Unter Experten bleibt umstritten, ob gemeinsame Gegnerschaft zum Westen als Fundament ausreicht für eine strategische Partnerschaft mit Russland, wie Erdoğan sie in St. Petersburg beschwor. Sie steht und fällt mit Turkstream. Die Schwarzmeer-Pipeline soll unter Umgehung der Ukraine die Türkei und Südosteuropa mit russischem Gas versorgen. Über Details hatten sich Gasprom und der türkische Staatskonzern BOTAS schon vor dem Kampfjet-Abschuss hoffnungslos zerstritten und der Widerstand Europas ist gewachsen.

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