Alleinerziehende unter Druck

Städte- und Gemeindebund kritisiert Pläne der Familienministerin zum Unterhaltsvorschuss

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig will die finanzielle Situation von Alleinerziehenden verbessern. Nach der Sommerpause will die SPD-Politikerin dafür einen Gesetzesentwurf zur Reform des Unterhaltsrechts vorlegen: Ziel ist eine längere staatliche Unterstützung Alleinerziehender, wenn das andere Elternteil keinen Unterhalt zahlt.

Nach den Plänen Schwesigs soll der Vorschuss, den der Staat bei ausstehenden Zahlungen von Eltern leistet, nicht auf sechs Jahre begrenzt bleiben und künftig auch für Kinder über zwölf Jahren gelten. Momentan übernimmt der Staat diese Zahlungen lediglich, wenn das Kind unter zwölf Jahren ist - und dann auch nur insgesamt sechs Jahre lang. Für Kinder bis zu fünf Jahren gibt es 145 Euro im Monat, ab dem sechsten Lebensjahr 194 Euro monatlich. Voraussetzung ist, dass die Kinder bei einem alleinerziehenden Elternteil leben und das andere Elternteil keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt zahlt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel steht hinter dem Vorhaben seiner Parteikollegin. Es sei ein »Skandal, dass drei Viertel der Kinder alleinerziehender Mütter keinen oder zu geringen Unterhalt vom Kindsvater erhalten«, sagte er am Wochenende den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Bundeswirtschaftsminister schlug vor, die Altersgrenze auf mindestens 16 Jahre zu erhöhen.

Bei den Kommunen jedoch stößt Schwesigs Vorschlag auf Kritik. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, lehnte am Wochenende die Mehrbelastungen für die Kommunen ab und bezweifelte, dass Alleinerziehende von den Plänen der Ministerin in großer Zahl profitieren können. Landsberg sagte der »Bild am Sonntag«: »Wenn der Bund die Grenzen bei Kindesalter und Bezugsdauer anheben möchte, so hat er auch die Kosten vollständig zu tragen.« Da der Unterhaltsvorschuss vollständig auf Hartz IV angerechnet werde, würden viele Alleinerziehende zudem keinen Cent zusätzlich erhalten. »Die Politik scheint wieder in den Fehler zu verfallen, zur Beseitigung vermeintlicher sozialer Ungleichheiten das Sozialbudget zu erhöhen, ohne vorher die Effizienz der bestehenden Systeme zu überprüfen«, kritisierte Landsberg.

Aktuell liegen die Ausgaben für rund 450 000 betroffene Kinder bei knapp 850 Millionen Euro im Jahr. Die Hauptlast tragen Länder und Kommunen, ein Drittel zahlt der Bund. 75 Prozent der Alleinerziehenden erhalten gar keinen oder weniger als den ihren Kindern zustehenden Kindesunterhalt. Zudem liegt laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2014 der Unterhalt in zwei Dritteln der Fälle unter dem kindlichen Existenzminimum.

Bei einer Anhörung im Familienausschuss des Bundestages im März diesen Jahres hatten zahlreiche Sachverständige die Idee Schwesigs unterstützt und eine Anhebung der Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre gefordert. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) forderte bei der Anhörung darüber hinaus einen Systemwechsel hin zu einer Kindergrundsicherung, »damit alle Kinder jenseits von Armut aufwachsen können, unabhängig von der Familienform und vom Einkommen ihrer Eltern«.

Streit gibt es nicht nur über die Dauer der Zahlungen, sondern auch über die säumigen Zahler. So hatte der SPD-Vorschlag, Elternteilen, die keinen Unterhalt zahlen, den Führerschein zu entziehen, für Protest gesorgt - aber auch das Thema in die Schlagzeilen gebracht. »Seit Monaten reden Frau Schwesig und ich über das Thema der Kinderarmut. Niemand in den Medien hat sich dafür interessiert. Seit Manuela Schwesig den Führerscheinentzug vorgeschlagen hat, ist das ein Riesenthema«, konstatierte Gabriel.

Bisher sind die Kommunen beauftragt, über die Jugendämter den staatlichen Vorschuss von den Unterhaltspflichtigen zurückzuholen. Die Grünen-Familienpolitikerin Franziska Brantner schlug deshalb vor, dass künftig die Finanzbehörden den staatlichen Vorschuss von den Unterhaltspflichtigen zurückzuholen. Die Finanzbeamten hätten einen Überblick über die Einkünfte der Unterhaltspflichtigen, in der Mehrzahl Väter, und könnten notfalls den Unterhalt für die Kinder einbehalten, sagte sie der Tageszeitung »Die Welt«.

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