Thailands Militärjunta unter Druck

Nach den Anschlägen in Urlaubsgebieten sieht die Regierung den Tourismus in Gefahr

  • Mathias Peer, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Angehörige von Terroropfern müssen in Thailand mitunter lange auf Antworten warten. Am Mittwoch gedachte das südostasiatische Land der 20 Menschen, die vor genau einem Jahr bei einem Bombenanschlag auf den Erawan-Schrein in Bangkok getötet wurden. Plausible Erklärungen für die Hintergründe der Tat konnten die Behörden auch am ersten Jahrestag nicht vorlegen. Der Prozess gegen zwei Verdächtige stockt. Weitere mögliche Hintermänner wurden unterdessen nicht gefasst.

Angesichts dieser Erfahrung erwarten Beobachter auch keine schnelle Aufklärung der jüngsten Bombenanschläge, bei denen am Donnerstag und Freitag voriger Woche in Touristengegenden vier Personen getötet und mehr als 30 verletzt wurden. Fast eine Woche nach den Attacken verstricken sich Regierung und Ermittler in Widersprüche. Schadensbegrenzung für den wirtschaftlich sehr wichtigen Tourismussektor erscheint als oberste Maxime der Behörden. »Wir werden alles dafür tun, um zu zeigen, dass unser Land eine sichere und angenehme Destination bleibt«, sagte Kobkarn Wattanavrangkul, Tourismusministerin der Militärregierung. »Wir hoffen, dass die Touristen vertrauensvoll nach Thailand zurückkehren werden.« Der Fremdenverkehr steht in Thailand für rund 10 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung und damit für Einnahmen von mehr als 40 Milliarden Dollar im Jahr.

Das Wort Terrorismus ist für die Junta in Verbindung mit den Anschlägen deshalb seit Tagen tabu. Stattdessen ist von »lokalen Sabotageakten« die Rede. Beobachter sehen die Äußerungen mit Skepsis. »Die Behörden in Thailand versuchen verzweifelt, den Schaden für den Tourismus klein zu halten«, kommentierte der Autor und Thailandexperte Andrew MacGregor Marshall. »Sie sagen genau das, was ihnen ihrer Meinung nach dabei hilft.«

Zugleich deuteten Vertreter der Militärregierung an, die Anschläge stünden womöglich in Verbindung mit ihren politischen Hauptgegnern - den sogenannten Rothemden, die zu den wichtigsten Unterstützern der vor zwei Jahren bei dem Militärputsch abgesetzten Regierung zählen. Mehrere Vertreter dieser Gruppe wurden zu Befragungen festgenommen. Kritiker warnen vor einem Versuch, die Anschläge für politische Zwecke zu instrumentalisieren. »Niemandem sollte es erlaubt sein, die tödlichen Attacken auf Unschuldige zu nutzen, um davon politisch zu profitieren«, forderte die Zeitung »The Nation« in einem Kommentar in Richtung der Militärregierung.

Die wenigen Ermittlungsergebnisse, die bislang öffentlich wurden, deuten derweil in eine Richtung, die die Regierung bislang ausschloss: Die Polizei sieht im Gegensatz zur Junta eine mögliche Verbindung zu muslimischen Separatisten, die seit Jahren im Süden des Landes für einen eigenen Staat kämpfen. An einer Bombe sei den Ermittlern zufolge die DNA eines Mannes gefunden worden, der in Verbindung mit Anschlägen im Süden stehen soll.

Bei Bombenanschlägen und Schießereien wurden in diesem Konflikt seit 2004 bereits rund 7000 Menschen getötet. Kurz vor dem Referendum über eine neue Verfassung, bei dem die Militärjunta Anfang August ihre Macht zementierte, intensivierten die Rebellen ihre Attacken in der von Touristen gering besuchten Grenzregion. Medien beachteten dies jedoch kaum. Nach Meinung von Sicherheitsanalysten könnte dies ein möglicher Grund für einen Strategiewandel hin zu Anschlägen in weltweit bekannte Urlaubsregionen sein.

Eine Bestätigung dafür gibt es aber nicht. Während die Öffentlichkeit auf weitere Aufklärung hofft, forderte Machthaber Prayuth Chan-ocha Medienvertreter auf, ihm keine Fragen zu den Bomben mehr zu stellen. Er fühle sich unter Druck gesetzt, weil er keine Antworten zu bieten habe.

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