Gipfel auf dem Flugzeugträger
Merkel, Renzi und Hollande wollen ein Zeichen für ein Europa nach dem britischen Austritt setzen
Es sollte ein deutliches Zeichen für ein neues Europa, eines nach dem britischen Austritt, gesetzt werden. Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi, die führenden Politiker aus drei der wichtigsten Wirtschaften des Kontinents, trafen sich am Montag zu einem vorbereitenden Gipfel für das EU-Treffen der verbleibenden 27.
Bevor sich am 16. September alle Mitglieder der Union in Bratislava versammeln, wollte das Dreiergremium die Richtlinie vorgeben. Auf der Agenda standen sowohl die Flüchtlingsproblematik als auch die andauernde Finanz- und Wirtschaftskrise, die durch den Brexit noch verschärft wurde.
Besonders Renzi bedarf der Rückendeckung seiner potenten Kollegen, um seine Wirtschafts- und Bankenrettungspläne mit Abnicken Brüssels durchsetzen zu können. Denn obgleich die Finanzwirtschaft Italiens einen Rettungsplan ausgearbeitet hatte, dürfte der wohl kaum ohne staatliche Unterstützung zu vollziehen sein.
Kein Wunder, dass Renzi seine eigene Vision von Europa mitbrachte: »Wir wollen ein neues Europa der Werte, und nicht eines, dass von den Finanzen bestimmt ist«, betonte er. Er forderte mehr Solidarität, mehr Kompetenzen nach Brüssel, Infrastrukturprojekte, bei denen die gesamte EU eingebunden ist. Ein Schachzug, der sich für Italien günstig auswirken könnte: Ein Einbinden der großen Nationen Europas in die Wirtschaftsproblematik des Kontinents könnte Lasten von Rom nehmen. Fraglich bleibt, ob die anderen mitziehen. Merkel und Hollande zeigten sich eher zurückhaltend.
Dass Renzi ausgerechnet nach Ventotene und auf den Flugzeugträger »Garibaldi« einlud, hatte Symbolcharakter: Auf der Insel schrieb der von Mussolini inhaftierte Kommunist und Europavordenker Altiero Spinelli sein »Manifest für ein freies und einiges Europa«, ein Dokument, das 1947 Grundlage für die Römischen Verträge sein sollte. Von hier aus wollte Renzi nun den Neuanfang starten. Der Flugzeugträger ist die Kommandozentrale der Frontex-Aktion EuNavFor, mit der die Außengrenze im Mittelmeer überwacht und die Flüchtlingsströme reguliert werden sollen.
Dass der Dreiergipfel in der letzten Augustdekade anberaumt wurde, ist ein Zeichen vor allem an die östlichen EU-Mitglieder. Derzeit übt Bratislava die EU-Präsidentschaft aus. Doch sowohl die Slowakei als auch die übrigen Visegrad-Staaten Polen, Tschechien und Ungarn wehren sich gegen die von Brüssel und Berlin vorgeschlagenen Lösungen in der Flüchtlingskrise. Mit dem Gipfel von Ventotene demonstrierten die drei Spitzenpolitiker des Westens Geschlossenheit. Ein Signal auch nach innen: Alle drei haben mit starken euroskeptischen Strömungen zu kämpfen. Renzi mit der Lega Nord, Merkel mit der AfD und Hollande mit dem Front National.
Die jetzt im Tyrrhenischen Meer demonstrierte Geschlossenheit kann auch als ein Signal gegen die - wie Kanzlerin Merkel es ausdrückte - »Fliehkräfte, die zu einer Spaltung Europas führen« sein.
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