Charmeur
Personalie: Wolfgang Bosbach (CDU) tritt nicht wieder für den Bundestag an.
Gegen »Vollverschleierung« war er schon im Winter, jüngst warnte er vor »Sicherheitsrisiken« unter Burka und Niqab. Die doppelte Staatsbürgerschaft sah er schon immer skeptisch. Und wegen der »Griechenlandrettung« trat er vor Jahresfrist als Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses zurück - freilich nicht wegen des destruktiven Charakters der daran geknüpften Diktate, sondern eher aus einer stammtischkompatiblen Abneigung gegenüber den Hallodris im Süden: Wolfgang Bosbach stand in jüngster Zeit oft in Opposition zu Kanzlerin und Parteimehrheit.
Dass der CDU-Politiker sich nun aus vor allem politischen Gründen entschieden habe, 2017 nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren, mag man ihm trotzdem nicht so recht glauben. Dafür gefiel er sich sichtlich zu gut in seiner Rolle als »Parteirebell«, dafür sitzt er auch zu gerne in Talkshows. Und dass der 1952 geborene Rechtsanwalt seit geraumer Zeit an einer schweren Krebserkrankung leidet, ist ja kein Geheimnis. Bosbach ist damit sehr offen umgegangen.
Wer weiß, wie der ehrgeizige Innenpolitiker, Fraktionsvize zwischen 2000 und 2009, sich entschieden hätte, wenn er noch ganz so könnte, wie er wollte. Denn in der Partei stehen die Zeichen derzeit ja gut für einen wie ihn. Die »Willkommenskultur« wird rückabgewickelt, die Konkurrenz mit der AfD spielt traditionellen Konservativen ein gutes Blatt in die Hände. Zumal einem Vertreter dieser Spezies, der nie ein Unsympath war. Während man bei anderen Hardlinern unwillkürlich egoistische Kalküle witterte, nahm man dem rheinischen Charmeur oft seine Besorgnis ab.
Unter anderen Umständen hätte Bosbach also womöglich noch einmal durchstarten können. Spätestens, seit er für Horst Seehofers Brandbrief gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik Verständnis äußerte, galt er als Garant für die Einigkeit der Schwesterparteien, die ja für beide sehr wichtig ist. So aber muss Wolfgang Bosbach gehen. Er gehört zu denen, die man vermissen wird. Selbst wenn man fast nie seiner Meinung war.
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