Fast eine Million Rentner gehen arbeiten

Zahl der Aufstocker über 65 Jahren seit 2010 um über ein Fünftel gestiegen / Zuwachs bei Menschen über 75 Jahren besonders hoch

  • Lesedauer: 2 Min.

Essen. Rentner stocken ihr Einkommen zunehmend mit einem Minijob auf. Ende vergangenen Jahres hatten 943.000 Senioren ab 65 Jahren eine geringfügige Beschäftigung, wie aus aktuellen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums hervorgeht, die der Essener Funke Mediengruppe (Dienstagsausgaben) vorliegen. Die Zahl der Rentner-Minijobber stieg demnach seit 2010 um 22 Prozent und im Vergleich zu 2005 sogar um 35 Prozent. Vor zehn Jahren arbeiteten noch weniger als 700.000 Senioren in einem Minijob.

Einen besonders großen Zuwachs gibt es den Angaben zufolge bei den Rentnern ab 75 Jahren. Ende vergangenen Jahres waren mit knapp 176.000 Senioren dieser Altersgruppe mehr als doppelt so viele in einem sogenannten 450-Euro-Job beschäftigt als im Jahr 2005.

Der Anstieg der minijobbenden Rentner zeige, dass sich immer mehr Rentner die Altersbezüge aufbessern müssten, kritisierte der Rentenexperte Matthias W. Birkwald von der LINKEN-Bundestagsfraktion, die die Zahlen angefordert hat. Die Betroffenen arbeiteten »nicht aus Spaß, sondern weil die Rente nicht zum Leben reicht«. Der Linkspolitiker forderte »flexible und sozial abgesicherte Vorruhestandsregelungen für diejenigen, die es nicht bis zur Regelaltersgrenze schaffen«, und eine »armutsfeste und den Lebensstandard sichernde Rente«.

Erst vor wenigen Tagen hatte der Sozialverband Deutschland (SoVD) die Kampagne »Lieber nicht arm dran« gestartet, um für Auswege aus der wachsenden Altersarmut zu werben. »Wir registrieren diesen Trend mit großer Sorge und setzen uns mit voller Kraft dafür ein, über das Problem aufzuklären und auf Lösungen hinzuwirken«, so SoVD-Präsident Adolf Bauer.

Besonders von Armut im Alter bedroht sind laut Angaben des SoVD Frauen, Menschen mit Behinderungen und Langzeitarbeitslose. Zudem schätzt der Sozialverband die Gefahr für sogenannte Solo-Selbstständige als hoch ein. Um der Armut entgegenzuwirken, stellt der Verband drei Grundforderungen. So sollen prekäre Beschäftigungsformen wie Minijobs und Leiharbeit eingeschränkt werden, um dadurch die Höhe der Beitragszahlungen auszubauen. Weiterhin fordert der SoVD ergänzende Regelungen, um Menschen, die kurz vor der Rente stehen, vor Alterarmut zu bewahren, indem beispielsweise zurückgelegte Zeiten in der Niedriglohnbeschäftigung und der Langzeitarbeitslosigkeit aufgewertet werden. Drittens plädiert der Sozialverband für eine Anhebung der Erwerbsminderungsrenten, da für deren Bezieher »das Risiko von Altersarmut besonders hoch« ist. epd/nd

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!