Hendricks Lückentext
Umweltschützer kritisieren weitere Verwässerung des deutschen Klimaschutzplans
Manches Schlechte kann man auch positiv wenden. »Der Klimaschutzplan 2050 enthält keine starren Vorgaben«, heißt es im aktuellen Entwurf zum Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung. Er sei im Rahmen der gesetzten Ziele durch Technologieneutralität und Innovationsoffenheit gekennzeichnet. Dabei hätten Opposition und Umweltverbände sich von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sicherlich mehr Starrheit gegenüber ihren Kabinettskollegen und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewünscht.
Die SPD-Frau Hendricks erklärte nämlich, auf Wunsch des Kanzleramts ihren Klimaschutzplan aufgeweicht zu haben. »In unserem Entwurf haben wir auf Bitten des Kanzleramtes noch einige Änderungen vorgenommen«, teilte die Ministerin am Dienstag mit. Sie habe nachgegeben, um die Abstimmung mit den anderen Ministerien nicht noch länger hinauszuzögern. Schon im Juni hatte Hendricks im Streit mit dem Bundeswirtschaftsministerium klein beigegeben und konkrete Aussagen über einen möglichen Kohleausstieg gestrichen. Nun wurde der Plan in anderen Bereichen - etwa beim Fleischkonsum oder der Elektromobilität - weiter verwässert.
Opposition und Umweltgruppen sind fassungslos. »Kein Kohleausstieg, keine Klimaziele für die einzelnen Wirtschaftsfelder, keine ökologische Steuerreform: Mit diesem Lückentext verhöhnt Deutschland den Geist der Pariser Klimakonferenz«, erklärte Greenpeace-Umweltexperte Tobias Austrup. Denn mit dem Klimaschutzplan will die Bundesregierung eigentlich zeigen, wie sie ihr beim UN-Klimagipfel vergangenen Dezember in Paris gegebenes Versprechen einhalten will, einen Beitrag dazu zu leisten, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen.
Doch während die weltweit größten Klimasünder USA und China dieser Tage im Zuge des G20-Gipfeltreffens in chinesischen Hangzhou den Pariser Klimavertrag ratifizierten, ist der Plan der Bundesregierung »in weiten Teilen ein Dokument des Stillstandes«, wie die Klimaschutz-Generaldirektorin des WWF Deutschland, Regine Günther, meint. So erhielten die einzelnen Sektoren lediglich ein undifferenziertes Ziel von 55 Prozent Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 und keine konsistent abgeleiteten Vorgaben pro Sektor. Dabei müsste von 2015 bis 2020 eine »enorme Menge« von 148 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen vermindert werden. »Der Plan bleibt die Antwort darauf schuldig, wie dies gelingen kann«, moniert Günther.
Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, warf Union und SPD vor, dass sie beim Klimaschutzplan sabotierten, »wo sie nur können«. »Die Bundesregierung verspielt so auch wirtschaftliche Chancen Deutschlands«, kritisierte der Oppositions-Politiker Hofreiter gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Für die klimapolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, darf »Business as usual« indes nicht mehr das Gebot der Stunde sein. »Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre lag im Juli bei 403,99 ppm«, so die Abgeordnete. Ab einem Wert von 450 Teile von einer Million (ppm) würde die Erderwärmung um zwei Grad Celsius ansteigen, was sogenannte Kippelemente anstieße, womit sich der Klimawandel nicht mehr kontrollieren lasse.
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