EuGH-Anwalt zerpflückt Fluggastdatenabkommen mit Kanada
Generalanwalt Paolo Mengozzi: Geplanter Vertrag verstößt gegen mehrere Grundrechte
Das geplante Abkommen zur Übermittlung von Fluggastdaten an Kanada verstößt nach Einschätzung eines wichtigen EU-Gutachters gegen europäische Grundrechte. Kanada erhalte dabei zu weitreichende Rechte zur Speicherung, Nutzung und Verarbeitung sensibler Daten, argumentiert Generalanwalt Paolo Mengozzi in seinem am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichten Gutachten. Folgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Empfehlung Mengozzis, dann kann das bereits ausgehandelte Abkommen in seiner jetzigen Form nicht in Kraft treten.
Die Nutzung von Fluggastdaten soll dem Kampf gegen Terrorismus oder schwere grenzüberschreitende Kriminalität dienen. Nach Einschätzung von Gutachter Mengozzi gibt das Abkommen Kanada aber Möglichkeiten zur Verwendung der Daten, die über diesen Zweck hinausgehen.
Ein Termin für die Stellungnahme der Richter steht noch nicht fest. Das Europaparlament hatte den EuGH Ende 2014 um das Gutachten gebeten. Derzeit gilt weiterhin ein Vorläuferabkommen aus dem Jahr 2006.
Bestimmte Vorschriften des Abkommens verstoßen laut Mengozzi gegen das Recht der Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten. So dürfe Kanada Daten an andere Länder weitergeben, ohne dass die zuständige kanadische Behörde von einer unabhängigen Stelle überwacht werde. Solch eine Stelle müsste eigentlich sicherstellen, dass die Informationen nicht außerhalb Kanadas innerhalb einer ganzen Kette von Staaten weitergereicht werden.
Cornelia Ernst, Sprecherin der LINKE und Mitglied im Innenausschuss des Europaparlaments, begrüßt diese Einschätzung: »Der Generalanwalt erteilt der Vereinbarung zum Austausch der Daten von Flugreisenden zwischen der EU und Kanada eine Abfuhr, mit deutlichem Verweis auf die Unvereinbarkeit mit EU-Grundrechten. Jetzt haben wir das auch von höchster Stelle bestätigt und vielleicht überlegen sich das die betreffenden BefürworterInnen in ihrem Überwachungs-Aktionismus das nächste Mal etwas früher.«
Ähnlich wie bei dem Verhältnis zwischen TTIP und CETA stellten die Bestrebungen mit Kanada eine Blaupause für die »Phantasien von kooperativer Aushöhlung der Privatsphäre zwischen den USA, der EU und Kanada dar«, so Ernst. Die angedachten Regelungen stellten nur ein »weiteres Mosaik für die Durchleuchtung und Rasterung der Bürgerinnen und Bürger dar - gänzlich ohne nachweisbaren Nutzen für die Terrorismusbekämpfung.«
Auch Alexander Sander vom Verein Digitale Gesellschaft wird deutlich: »Das heutige Plädoyer des Generalanwalts ist eine schallende Ohrfeige für die Befürworter einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten.« Das Parlament dürfe einem grundrechtswidrigen Fluggastdatenabkommen mit Kanada daher keinesfalls zustimmen. Zugleich müsss das Votum als deutliches politisches Signal verstanden werden, die mehr oder weniger inhaltsgleichen Abkommen mit den USA und Australien sowie die erst kürzlich beschlossene EU-weite Fluggastdatenspeicherung »unverzüglich zu stoppen«, so Sander.
Er verweist darauf, dass Mengozzi wie schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch in seinem Schlussplädoyer unter anderem, dass das Abkommen keinerlei Vorgaben für die Verwendung der Daten durch Drittstaaten macht. Zudem begrenze das Abkommen laut Mengozzi, in keiner Weise das Ausmaß, in dem kanadische Behörden die Daten rastern und mit anderen Datenbanken abgleichen dürfen.
Fluggastdaten sind Informationen, die Fluggesellschaften bei der Buchung oder beim Check-In über ihre Passagiere erheben, etwa Kontaktinformationen sowie Reise-, Kreditkartendaten sowie Kontodaten. Agenturen/nd
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