Schlappe in der »Frontstadt«

Die NPD wollte in Göttingen demonstrieren - und stieß auf massenhaften Protest

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 2 Min.

Rund 1100 Beamte waren im Einsatz, um 100 Neonazis und knapp tausend Gegendemonstranten auseinander zu halten. Im Bahnverkehr auf der Nord-Süd-Strecke gab es über Stunden Einschränkungen, auch für viele Autofahrer ging stundenlang nichts mehr.

Einen Tag vor der Kommunalwahl in Niedersachsen wollte die NPD ausgerechnet durch die von ihr so genannte Frontstadt Göttingen marschieren. Die Stadtverwaltung untersagte dies mit Verweis auf auch militante Proteste. Gerichte bestätigten das Verbot und ließen lediglich eine Kundgebung am Bahnhof zu. Auf der Gegenseite machte das Göttinger Bündnis gegen Rechts mobil - ihm gehören rund 30 Parteien, Initiativen, Gewerkschaften und Vereine an.

Um eine Anreise der Neonazis per Bahn zu behindern, versuchten einige Demonstranten bereits am Vormittag, Gleise zu besetzen. Die Polizei trieb sie weg und nahm rund 15 junge Leute in Gewahrsam, die Steine und Pyrotechnik auf die Beamten geworfen haben sollen. Die Festgenommenen bestritten jedoch Steinwürfe. Sie wurden nach mehreren Stunden wieder freigelassen. Gleichzeitig türmten Nazigegner im Universitätsviertel Paletten und Mülltonnen zu Barrikaden auf und zündeten sie an, die Feuerwehr musste löschen.

Lautstark, aber friedlich verlief indes eine Demonstration des Bündnisses vom Platz der Synagoge zum Bahnhof. Mit Sprechchören, Trillerpfeifen und lauter Rockmusik übertönten die rund 900 Teilnehmer die Lautsprecheranlage der von Sperrgittern in einer Ecke des Bahnhofsplatzes eingepferchten NPD-Leute. Auch einige rohe Eier flogen in den Pulk der Neonazis.

»Das Konzept, dass Menschen mit den Aktionsformen ihrer Wahl zusammen ein Ziel verfolgen, ist heute hervorragend aufgegangen«, bilanziert die autonome Gruppe »Antifaschistische Linke International«: »Wir haben weitestgehend friedlich gezeigt: Das ist unsere Stadt!«

Um den Aufmarsch der Rechtsextremisten lächerlich zu machen, hatte sich das Bündnis gegen Rechts zudem eine »Spendengala« ausgedacht: Für jede Minute, die sich die Nazis in der Stadt aufhielten, sollten mindestens 20 Euro für die Flüchtlingshilfsorganisation »Sea Watch« gespendet werden. 6300 Euro seien so zusammengekommen, bilanzierte Bündnis-Sprecher Lothar Hanisch.

Da hatten die ganz offensichtlich frustrierten Rechten Göttingen aber schon wieder verlassen und waren mit einem Zug nach Northeim weitergefahren. Rund 80 NPD-Anhänger marschierten Parolen skandierend und weitgehend unbeachtet von der Bevölkerung durch die Kleinstadt. Erst bei ihrem Abmarsch kam es zu Rangeleien mit Gegendemonstranten und der Polizei.

Bei der Rückreise der Neonazis durch Göttingen habe die umstrittene Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Göttinger Polizei am späten Nachmittag eine »Menschenjagd« auf Nazi-Gegner veranstaltet, berichtet die Initiative »Bürger beobachten die Polizei«. Beamte hätten die Antifaschisten ohne erkennbaren Anlass in den fließenden Verkehr getrieben.

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