Bautzen: Auf den Hass folgt der Gipfel
Hunderte beteiligen sich an Lichterkette gegen Rassismus / Kritik an geplanten Treffen des Bürgermeisters mit Rechtsradikalen / Stadt will Einsatz von Sozialarbeitern verstärken
Sie sollte ein Symbol dafür sein, dass die Zivilgesellschaft in Bautzen existiert: Knapp eine Woche nach der Hetzjagd auf Geflüchtete durch die Innenstadt versammelten sich nach Angaben der Veranstalter am Dienstagabend 500 Menschen zu einer Lichterkette. Mit Kerzen in der Hand bildeten sie eine lange Reihe vom Kornmarkt bis hin zur Friedensbrücke – jene Orte, an denen sich die jagdähnlichen Szenen auf die Asylsuchenden ereigneten. Aufgerufen zu der symbolischen Aktion hatte das Bündnis »Bautzen ist bunt«, SPD, LINKE, Grüne, Gewerkschaften und die Kirchen. »Das finde ich gut und es ist nach der letzten Woche auch dringend notwendig, ein Zeichen gegen Rassismus und für eine weltoffene Stadt zu setzen«, kommentierte die sächsische LINKEN-Bundestagsabgeordnete Caren Lay ihre Teilnahme.
Symbole setzen, rechten Kräften nicht den öffentlichen Raum überlassen, das tut in der Spreestadt in diesen Tagen not: Längst haben Neonazis die Ereignisse des 14. Septembers in ihrem Sinne umgedeutet. So erklärte die rechtsradikale Kleinstpartei »Der III. Weg« am Mittwoch, sich durch die Situation in ihrer »Aufklärungskampagne« bestätigt zu fühlen. Gemeint ist die Verteilung angeblich tausender Flyer mit rassistischem Inhalt in Ostsachsen, darunter in Görlitz, Niesky und eben Bautzen. Die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten werden in der Sprache der Rechtsradikalen zu »ausländischen Wegelagerern«, ihre Unterstützer zu »Überfremdungsfetischisten« erklärt und die Hetzjagd als »Druck von der Straße«, der sich entladen würde, um sich Gehör zu verschaffen, verharmlost. Wie sehr rechte Strukturen in der Region inzwischen als offensichtlich normal hingenommen werden, zeigt eine Zusammenkunft am vergangenen Wochenende: Kaum eine halbe Autostunde von der Kreisstadt entfernt, veranstalteten rechte Gruppierungen ungestört ein »Deutsches Sport & Familienfest«. Beworben wurde die Veranstaltung unter anderem durch die Kameradschaft »StreamBZ«, jene Bautzner Gruppe also, die den Bürgermeister der Stadt, Alexander Ahrens (parteilos), gemeinsam mit anderen Rechtsradikalen öffentlich ein Ultimatum setzte, in der Stadt müsse sich »schnell und spürbar« etwas ändern, sonst würden »kurzfristig weitere Veranstaltungen in Betracht« gezogen.
Regen Aktivismus legen sowohl die Stadt Bautzen als auch der Landkreis seit einigen Tagen an den Tag: Ahrens will sich nicht nur mit den Rechtsradikalen treffen, seit einer Krisensitzung am Montag existiert auch ein kurzfristiges vier Punkte umfassendes Maßnahmenpaket, um auf die aufgeheizte Stimmung zu reagieren: So soll die Polizeipräsenz rund um den Kornmarkt verstärkt werden, bis nächste Woche Montag sind im Bereich der Innenstadt sogar anlasslose Kontrollen durch die Beamten möglich. Eher noch unkonkret ist dagegen bisher der Plan, das Engagement von Sozialarbeitern zu stärken. Bisher heißt es dazu lediglich, dass es dazu Gespräche mit dem bereits existierenden Kulturprojekt Steinhaus geben soll. Kritik an den Plänen gab es bereits aus der lokalen Politik: So bemängelten die Grünen, dass die begrenzten Mittel für die ohnehin überarbeiteten Sozialarbeiter nicht einfach verlagert werden dürfen. Selbst aus den Reihen der CDU gibt es erhebliche Zweifel. Man dürfe keine »unrealistische Erwartungshaltung« gegenüber den Sozialarbeitern haben. Auch das geplante Treffen zwischen Ahrens und den Rechtsradikalen sei der falsche Weg. Man dürfe solchen Gruppen keine Plattform bieten. Solchen klaren Worten entgegen stehen jedoch Äußerungen des Bautzner CDU-Vorstandsmitgliedes Tobias Schilling. Dieser hatte noch am Sonntag in einem Beitrag auf der lokalen CDU-Website erklärt, er sehe in Bautzen »keinen Alltagsrassismus. Zumindest nicht in der Form, dass er eine Erklärung oder gar Entschuldigung für das Auftreten der jungen Asylbewerber sein kann.«
Ob dies auch Bürger der Stadt, der Landkreis sowie Händler rund um den Kornmarkt so sehen, wird sich am Mittwochnachmittag zeigen. Auf Initiative des CDU-Politikers Marko Schiemann gibt es einen weiteren Krisengipfel, an dem auch Vertreter der Landesregierung teilnehmen. Im Anschluss an das eineinhalbstündige Treffen sollen die Medien informiert werden. Nach Ansicht von Schiemann soll auf dem »Bautzen-Gipfel« auch darüber gesprochen werden, welche Freizeitmöglichkeiten es für die jungen Geflüchtete gibt und wie die Stadt weitere Konflikte verhindern könne.
Auch eher vage gehalten ist bisher die Ankündigung der Stadt, zusätzliche Angebote für junge Menschen schaffen zu wollen. Immerhin räumt das Rathaus ein, dass die vorhandenen Einrichtungen bisher »nur einen Bruchteil der Bevölkerung« erreichten. Ahrens kündigte zudem an, sich mit den minderjährigen Geflüchteten treffen zu wollen. »Er möchte mit ihnen die Situation besprechen und den jungen Menschen gewisse Verhaltensregeln nahe bringen, um eine erneute Eskalation zu vermeiden«, heißt es in einer Erklärung.
Konkrete Projekte gegen Rassismus und rechtsradikales Gedankengut enthalten die bisher angekündigten Maßnahmen allerdings nicht. Anknüpfungspunkte dafür gibt es: Eher zufällig mit dem erneuten Hochkochen der rechten Gewalt fallen in diesen Tagen die ersten »Bautzner Demokratiewochen« zusammen. Ziel der Veranstaltungsreihe soll es sein, »einen Prozess zu unterstützen, der das friedliche Zusammenleben aller Menschen im Blick hat«.
Von einer äußerst umstrittenen Maßnahme wird seit Mittwoch immerhin abgesehen: Eine unmittelbar nach den Ereignissen verhängte Ausgangssperre für alle unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten ab 19 Uhr sowie ein generelles Alkoholverbot wurdem vom Landkreis wieder aufgehoben. Offiziell waren die Anordnungen als »Sicherheitsmaßnahme« begründet worden, doch unter anderem Linkspartei und Grüne hatten kritisiert, dadurch würden allein die Asylsuchenden bestraft. Der Landkreis dagegen erklärte, »dass die Entscheidung in dieser Situation richtig war«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.