Erfolgreiche Mittelstandslobby
Vermittlungsausschuss einigt sich in letzter Sekunde über Erbschaftsteuerreform
Die Einigung zur Erbschaftsteuer war absehbar. Denn der Mittwochabend war der letzte mögliche Termin, um einen Kompromiss zu finden. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine letzte Frist für die Verabschiedung der Reform bis Ende September gesetzt. Die Verfassungsrichter aus Karlsruhe drohten damit, ansonsten die Gesetzgebung selbst in die Hand zu nehmen. Für die beteiligten Politiker in Bund und Ländern wäre dies eine Blamage gewesen.
Derart unter Druck gesetzt, verkündete der Vermittlungsausschuss, in dem Vertreter aus Bundestag und Bundesrat sitzen, in der Nacht zu Donnerstag nach siebenstündigen Verhandlungen ein Ergebnis, das zwar mehrheitlich, aber nicht einstimmig angenommen worden war. Dabei geht es um die steuerliche Begünstigung von Firmenerben. Deren Privilegien hatte das Bundesverfassungsgericht Ende des Jahres 2014 weitgehend gekippt. Der politische Streit um die Steuerreform hatte sich monatelang hingezogen.
Sehr zufrieden über die Einigung äußerte sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Er und seine CSU hatten sich in den vergangenen Monaten als Lobbyisten für die Interessen des sogenannten Mittelstands betätigt. Seehofer wollte weiterhin möglichst vielen Firmen die Möglichkeit einräumen, sich von der Erbschaftsteuer befreien zu lassen. Dies wurde aus München damit begründet, dass ansonsten Arbeitsplätze gefährdet seien.
Die Gegenspieler von Seehofer und dem Kurs der Bundesregierung sitzen, angeführt vom nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), in vielen Bundesländern, in denen Sozialdemokraten, Grüne oder auch die Linkspartei regieren. Sie stoppten das Vorhaben der Großen Koalition im Bundesrat, weil danach Erben von Betriebsvermögen weiterhin übermäßig geschont werden sollten. Daraufhin schaltete die Länderkammer Anfang Juli den Vermittlungsausschuss ein. Die Landespolitiker hatten auf größere staatliche Einnahmen und eine verfassungsfeste Reform gehofft. Mit jährlich etwa fünf bis sechs Milliarden Euro macht die Erbschaftsteuer nämlich nicht einmal ein Prozent an den Gesamteinnahmen für den Fiskus aus. Die großzügigen Ausnahmen für Firmenerben sind ein wichtiger Grund hierfür.
Daran wird sich nach der Reform allerdings nun wenig ändern. Die Mitte-links-Politiker konnten nur einen Teil ihre Forderungen im Vermittlungsausschuss durchsetzen. Zu den bedeutenderen Punkten zählte noch, dass Freizeit- und Luxusgegenstände nicht von der Verschonung erfasst werden dürfen. Manche reichen Unternehmer hatten ihre Jachten, Oldtimer oder Gemäldesammlungen an ihre Firmen übertragen. Sie wurden dann von der Erbschaftsteuer verschont, wenn sie in die nächste Generation übergingen.
Für eine weitgehende Verschonung der Erben hatte sich hingegen nicht nur die CSU eingesetzt. Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier von der CDU betonte nach der Sitzung des Vermittlungsausschusses, dass ein Kompromiss gefunden wurde, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfülle, die Familienbetriebe aber nicht überfordere. Ähnlich äußerte sich Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann. Der Grünen-Politiker hatte gesagt, dass die Familienunternehmen »nicht über Gebühr belastet« werden sollten.
Die mittelständischen Betriebe haben unter anderem in Südwestdeutschland eine starke Lobby. Bei diesen Firmen handelt es sich keineswegs nur um kleine Betriebe mit wenig Kapital, sondern zum Teil auch um kapitalstarke Konzerne. Der Begriff »Familienunternehmen« definiert nicht die Größe, sondern lediglich, dass das Unternehmen maßgeblich von einer Familie oder einem in der Anzahl beschränkten Eigentümerkreis mit verwandtschaftlichen Beziehungen beeinflusst wird.
Dem nun gefundenen Kompromiss zur Erbschaftsteuer müssen Bundestag und Bundesrat noch zustimmen. Der Bundestag wird sich voraussichtlich am Donnerstag in der kommenden Woche mit dem Thema beschäftigen, die Länderkammer wohl am 14. Oktober.
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