EU-Kommissarin mit Briefkastenfirma

Nach einem Datenleak zum Steuerparadies Bahamas fordern Politiker strengere Gesetze

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Debatte um Steueroasen wird durch einen neuen Leak weiter angefacht. Europa-Abgeordnete fordern nach Enthüllungen zu Briefkastenfirmen auf den Bahamas Verschärfungen der internationalen Steuer- und Firmengesetzgebung sowie mehr Druck auf Steuerparadiese. Die EU-Kommission will Vorwürfe gegen die ehemalige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes prüfen.

Das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) hatte zuvor Daten aus dem vertraulichen Firmenregister der Bahamas veröffentlicht. In Deutschland berichtete die »Süddeutsche Zeitung« (SZ), der 38 Gigabyte Daten zugespielt worden waren, dass zwischen 1990 und 2016 in dem Land 175 888 Briefkastenfirmen und Stiftungen gegründet worden sind. Briefkastenfirmen dienen in der Regel dazu, Vermögen zu verstecken und Steuern zu hinterziehen.

Der prominenteste Name des jüngsten Leaks, der von einem internationalen Rechercheverbund ausgewertet wurde, ist der von Kroes. Die Niederländerin war von 2004 bis 2010 oberste Wettbewerbshüterin und dann bis 2014 Digitalkommissarin der Europäischen Kommission. Von 2000 bis 2009 war sie den Recherchen zufolge indes auch Direktorin einer Briefkastenfirma namens Mint Holdings Limited mit Sitz auf den Bahamas. Das hat sie aber nie publik gemacht - und damit gegen den Verhaltenskodex der EU-Kommission verstoßen. Diesem zufolge sind EU-Komissaren wirtschaftliche Nebentätigkeiten verboten. Brisant dabei: Die heute für den Taxi-Dienstleister Uber und die Bank Merril Lynch tätige 75-Jährige wurde schon 2004 wegen ihrer Nähe zur Wirtschaft kritisiert. Unter anderem saß sie in Aufsichtsräten des Rüstungskonzerns Lockheed Martin und Thales, bei McDonald‘s sowie bei der Bank of America. Zu den aktuellen Vorwürfen teilte Kroes Anwalt mit, es handle sich um ein »Versehen«, seine Mandantin übernehme die »volle Verantwortung«.

In dem Bahamas-Leak finden sich auch die Namen von etwa 100 Deutschen, unter ihnen die Erben mehrerer Großkonzerne. Im Gegensatz zum ICIJ verzichtet die SZ auf die Nennung der Namen. Der Grund: kein berechtigtes öffentliches Interesse. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Der frühere bayerische Minister Georg Freiherr von Waldenfels und Funktionär des Welt-Tennisverbands »International Tennis Federation« gab demnach zu, aus steuerlichen Gründen einer der Direktoren der Bahamas-Firma ITF Ltd. gewesen zu sein. Scharfe Kritik kam vom finanz- und wirtschaftspolitischen Sprecher der europäischen Grünen: »Neelie Kroes ist ein herausragendes Negativbeispiel für die Beschädigung von Vertrauen in die Politik«, sagte Sven Giegold am Donnerstag. Und der LINKE-Europaabgeordnete Fabio De Masi forderte endlich wirksame Sanktionen, um gegen die Affären der EU-Granden vorzugehen. Seite 4

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