»Fickst du die?«
Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends macht Sexismus innerhalb der Partei öffentlich / Schwere Vorwürfe gegen Innensenator Henkel
Frauen, die den Mund aufmachen, sind sexistischen Angriffen ausgesetzt. Das hat die britische Bloggerin Laurie Penny in ihrem Buch »Unsagbare Dinge« ausführlicht beschrieben. Die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends bekam das als frisches, schnell aufstrebendes Parteimitglied selbst zu spüren. Als Reaktion hielt sie nicht den Mund. Im Gegenteil. Sie schrieb einen Brief an die Partei, in dem sie ihn ganz weit aufmacht – und die sexistischen Praktiken an die Öffentlichkeit bringt.
»Wir müssen reden«, beginnt sie ihren Brief an die Partei, den sie auf dem feministischen Blog »Edition f« veröffentlichte. »Nein, nicht über das Wahlergebnis, sondern über dich. Darüber, wie du mit Frauen umgehst und deine Zukunft verspielst.« Konkret nennt Behrends, die bei den Berlinwahlen am Sonntag in die BVV Mitte gewählt wurde, zwei Vorfälle. So soll Berlins Innensenator Frank Henkel den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sven Rissmann, im Vorfeld der Nominierung Behrends für die BVV-Wahl gefragt haben: »Fickst du die?«. Derselbe Senator, deren Namen die CDU-Politikerin erst auf Nachfrage des Tagesspiegels nannte, soll ihre Tochter auf einem Parteitag mit den Worten »Oh, eine kleine süße Maus.« begrüßt haben – um dann, nach einer Pause, die Politikern selbst anzusehen und hinterher zu schieben: »Und eine große süße Maus.«
Auf die Vorwürfe angesprochen, reden die erwähnten CDU-Männer den Sexismus klein. Rissmann wollte sich gegenüber dem Tagesspiegel nicht mehr an die genauen Worte Henkels erinnern. Es habe Gerüchte gegeben, dass Behrends und er »etwas zusammen gehabt hätten«, darüber habe er sich mit ihr ausgetauscht. »Die junge Frau, die ständig mit den Gerüchten um ihre angeblichen Affären konfrontiert wird, die gibt es in echt«, schreibt Behrends in ihrem Brief. Die junge Frau hingegen, die bereit wäre, »sich für ein kommunales Ehrenamt hochzuschlafen«, die gäbe es nur in der schmutzigen Fantasie.
Der scheidende Innensenator selbst zeigte sich auf Nachfrage des Tagesspiegels »enttäuscht über Inhalt und Stil« des Briefs. Interessant, ist er für den Inhalt doch selbst verantwortlich.
Dass Sexismus in der Gesellschaft ein Problem darstellt, ist inzwischen fast Konsens. Dass er in einer spefizischen Situation von konkreten Personen ausgeübt wurde, wird fast immer abgestritten. In der Diskussion steht dann oft diejenige, die ihn anspricht – und nicht derjenige, der ihn ausgeübt hat. So wurde auch Behrends davor gewarnt, ihren Brief zu veröffentlichen. »Jenna, wenn du das jetzt veröffentlichst, dann wirst du in der Partei nichts mehr. Das ist dir klar, oder?«, habe ihr ein Parteifreund gesagt.
Der Brief verfehlte nach seiner Veröffentlichung seine Wirkung indes nicht. Unter dem Hashtag #sexismusinparteien trendet die Diskussion auf Twitter. Die Reaktionen zeigen auf, dass sie auch bitter notwendig ist. Mit einem kleinredenden wie beleidigenden »Mimimi« kommentierte etwa der CDU-Mittelstandspolitiker Jürgen Presser den Brief. Ein anderer twitterte: »Merkel ist Bundeskanzlerin aber die CDU ist sexistisch... Ihr habt doch alle einen an der Waffel.« Derselbe Nutzer postete wenig später eine Umfrage, in der er die User*innen über folgende Frage abstimmen lassen möchte: »Gibt es etwas dümmeres als Erste-Welt-Feminismus?« Ja-nein-vielleicht.
Dass Sexismus aber nicht nur ein Problem von durchgeknallten Twitterern oder Law-and-Order-Freaks bei der CDU ist, zeigt die Debatte in den sozialen Medien ebenso. »Über Sexismus in der @cduberlin schreibt @Jenna_Behrends. Ich kenne vieles davon aus meiner früheren Partei«, schreibt etwa Anne Helm, ehemalige Berliner Piratenpolitikerin und jetzige Abgeordnete der LINKEN.
Der Frauenanteil von Bundestagsabgeordneten beträgt aktuell 37,1 Prozent. Die LINKE und die Grünen haben im Gegensatz zu CDU und SPD mehr Frauen als Männer im Parlament. Im neu gewählten Abgeordnetenhaus bringt es die CDU sogar nur auf einen Frauenanteil von 13 Prozent, wohingegen der Anteil weiblicher Parlamentarier bei LINKEN und Grünen bei 52 bzw. 56 Prozent liegt.
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