Eine schlechte Wahl

Die Abstimmung über die Mieterräte wird von Pannen und Skandalen überschattet

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Skandal«, »Farce«, »Nordkorea« - Opposition und Mieterinitiativen waren wahrlich nicht begeistert vom Ablauf der ersten Mieterratswahlen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Dann erweckte eine E-Mail noch den Eindruck, dass kritische Berichterstattung vor der Abgeordnetenhauswahl ausgebremst werden sollte. Nun sind die insgesamt 47 Mieterräte gewählt. Stein des Anstoßes ist der Ausschluss von insgesamt 108 Kandidaten vor der Wahl. Besonders hervorgetan haben sich dabei die Wahlkommissionen von drei Unternehmen. Bei der degewo durften 41 Kandidaten nicht antreten, bei der Gewobag 31, und bei der GESOBAU waren es 22. Mit sechs und acht Ausschlüssen wurde bei HOWOGE und WBM das Instrument recht selten in Anspruch genommen, bei der Stadt und Land kamen alle Kandidaten zum Zuge.

»Nicht immer geht beim ersten Mal alles reibungslos«, kommentiert Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) die Wahlen, er gehe jedoch davon aus, dass »die Wahlkommissionen ihre Arbeit sorgfältig gemacht haben«. Im Zweifelsfall müsste dies juristisch überprüft werden.

Fakten zu den Mieterratswahlen

300.000 Mieterhaushalte waren aufgerufen, über die Mieterräte als ihre künftigen Interessenvertreter abzustimmen. Rund 1000 Kandidaten standen zur Wahl, an der sich 45.000 Haushalte beteiligten – das waren 16,3 Prozent der Wahlberechtigten. Das gilt als hoher Wert für Abstimmungen dieser Art.

Im Vorfeld entschieden Wahlkommissionen über die Zulassung der Kandidaten. Die bestanden beispielsweise bei der degewo aus 14 Mietern sowie zwei Beschäftigten des Unternehmens. Anonymisiert wurden die Kommissionen über Gründe informiert, die aus Sicht der Wohnungsbaugesellschaften gegen die Zulassung zur Wahl sprachen.

Aus den je nach Unternehmensgröße fünf- bis elfköpfigen Mietergremien wird je ein Vertreter in den Aufsichtsrat entsandt. nic

Besonders betroffen von den Ausschlüssen waren Beteiligte des Pankower Mietenprotests, der sich gegen überzogene energetische Sanierungspläne der GESOBAU richtete. Auf der Internetseite der Initiative ist der Briefwechsel des Unternehmens mit einem Bewerber veröffentlicht, der wegen »schwerwiegender Verstöße gegen das friedliche Zusammenleben« durch die Wahlkommission als nicht wählbar angesehen wurde. Er hatte unter anderem Einspruch gegen die Modernisierungsankündigung eingelegt und Mieterrechte wahrgenommen. Außerdem wird ihm ein Brief an Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) zur Last gelegt, in dem er die geplanten Sanierungsmaßnahmen als »unsinnig« brandmarkte.

»Weil jemand einen Brief schreibt, wird er um sein demokratisches Recht gebracht, gewählt zu werden«, sagt Andreas Otto kopfschüttelnd. »Die Stadtentwicklungsverwaltung hat es gesteuert, dass Kritiker ausgeschlossen werden«, ist der Stadtentwicklungsexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus überzeugt. Der normale Rechtsweg könne Jahre dauern, insofern müsse das Thema auch bei den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch kommen. »Wir fordern eine Aufklärung über die Umstände bei den Wahlen«, sagt Rouzbeh Taheri vom Bündnis Mietenvolksentscheid. Er kritisiert auch die unzureichenden Möglichkeiten der Kandidaten, sich bei den Mietern bekannt zu machen.

»Es hat sich aber gezeigt, dass wir bei der Wahlordnung nachsteuern müssen«, räumt auch Stadtentwicklungssenator Geisel ein. Es dürfe keine »missverständlichen oder zu weit interpretierbaren Kriterien für die Zulassung« von Kandidaten geben.

»Es geht einfach nicht, jemanden für die Ablehnung einer Modernisierung zu bestrafen«, sagt auch Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Er fordert, dass die Entscheidung über die Zulassung künftig die Wohnungsunternehmen selber treffen sollen. »Die Gesellschaften dürfen sich nicht hinter den Kommissionen verstecken.«

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hat ein Rechtsgutachten zum Ablauf der Wahlen in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse in der kommenden Woche erwartet werden. »Im Zweifelsfall müssen die Wahlen bei Gesellschaften mit vielen Ausschüssen wiederholt werden«, sagt LINKEN-Parlamentarier Steffen Zillich.

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