Suizid unter Justizaufsicht
Terrorverdächtiger erhängte sich in Zelle - massive Kritik an Sachsens Behörden
Berlin. Nach dem Suizid des mutmaßlichen IS-Terroristen Dschaber al-Bakr am Mittwochabend in einer Leipziger Gefängniszelle geraten bislang vor allem sächsische Behörden unter Druck. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte am Donnerstag eine schnelle Aufklärung. Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, zeigte sich angesichts der Arbeit von Polizei und Behörden in Sachsen »fassungslos«. Die Grünen-Bundestagsfraktion beantragte eine Sondersitzung des Innenausschusses. »Von den ersten geheimdienstlichen Informationen zu Anschlagsplanungen bis zum Tod al-Bakrs ist der gesamte Fall von Ungereimtheiten und Fragen geprägt«, sagte die Grünen-Expertin Irene Mihalic.
Laut dem sächsischen Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) hatten die Behörden keine Hinweise auf eine Suizidgefahr bei dem 22-jährigen Syrer. Die absurde Aussage heizte die Debatte auch im Freistaat an: Sowohl die »Pannen bei den Ermittlungen« als auch die Tatsache, dass »ein angeblich permanent überwachter Gefangener« sich unbemerkt das Leben nehmen kann, offenbaren »ein klares Staatsversagen im Freistaat«, betonte LINKE-Fraktionschef Rico Gebhardt. Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) ging auf Distanz zum Justizminister und gab der Justizvollzuganstalt Leipzig eine Mitschuld. »Es ist offensichtlich zu einer Reihe von Fehleinschätzungen sowohl über die Bedeutung als auch den Zustand des Gefangenen gekommen.« Es könne nicht sein, dass ein unter Terrorverdacht stehender Mann wie ein »Kleinkrimineller« behandelt werde.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich stärkte seinem Parteifreund Gemkow den Rücken: Pauschale Kritik weise er zurück und vertraue in der Analyse der Vorgänge »voll und ganz meinem Justizminister«. hei Seite 5
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.