Libertäre Hippies wählen Trump
Das Internet sollte Menschen frei machen - doch die Stars aus Silicon Valley halten nichts mehr von Demokratie
»Wenn Donald Trump uns auffordert, Amerika wieder groß zu machen, legt er nicht eine Rückkehr zur Vergangenheit nahe. Er prescht vor, um uns zurück zu einer hellen Zukunft zu führen.« Auf dem Parteitag der Republikanischen Partei fand der PayPal-Gründer, Facebook-Investor und Silicon Valley-Star Peter Thiel rühmende Worte für den konservativen US-Präsidentschaftskandidaten. Wie kommt es, dass ein führender Kopf der neuen technologischen Elite einen konservativen und autokratischen Präsidentschaftskandidaten unterstützt, der so weit von der digitalen Hippie-Bohème Kaliforniens entfernt scheint, wie nur irgend denkbar?
Von libertären Hippies zur undemokratischen Leistungsgesellschaft
Peter Thiel ist mit seinen Sympathien für Autokraten nicht alleine: 2014 forderte eine Google-Ingeneurin in einer berüchtigten Petition dazu auf, den heutigen Chef des Google-Mutterkonzerns »Alphabet«, Eric Schmidt, zum »CEO von Amerika« zu ernennen. 2013 träumten die Teilnehmenden der »Silicon Valley Startup School« von einer Sezession des Silicon Valley aus den ineffizient regierten USA in einen technologisch gelenkten, privaten Mini-Staat. Dass die Zukunftsvisionen der Innovatoren nichts mehr mit Demokratie zu tun haben, speist sich aus dem Erbe des amerikanischen Libertarismus: Dessen Glaube an die individuelle Freiheit und die Unfehlbarkeit des freien Marktes kippt in eine Vorstellung der Gesellschaft, in der nur die Wettbewerbsfähigsten Erfolg finden. Demokratische Teilhabe oder soziale Gerechtigkeit werden dabei letztendlich egal.
Dabei war es doch der Hippie-Idealismus der Ostküste, welchen die Innovatoren des Silicon Valleys in dessen Anfängen beeinflusste. Die »Kalifornische Ideologie«: Neue Technologien sollten dabei helfen, eine frei zugängliche Öffentlichkeit zu schaffen, die unmittelbare Kommunikation ohne Zensur ermöglicht.
Die freie elektronische Versammlung im »Globalen Dorf« Internet
Demokratie, Toleranz und Selbstverwirklichung waren die Werte, welche durch technologischen Fortschritt konkret werden sollten. Im Sinne des Medientheoretikers Marshall McLuhan würde die Gesellschaft im »Globalen Dorf« wieder näher zusammenrücken und sich in der »elektronischen Agora« (Versammlung) hierarchiefrei austauschen. Die gesellschaftlichen Veränderungen, welche sich die Digerati – die digitale Elite der Computerindustrie – wünschten, strebten durchaus auf eine gerechtere Welt. Sie sollte mithilfe digitaler Innovationen zur Wirklichkeit werden.
Diese neue Nähe scheint Wirklichkeit geworden. Die Meinungen unzähliger Menschen sind im Netz nur wenige Klicks entfernt, Gedanken lassen sich nebenbei in der S-Bahn mit potenziell Millionen teilen. Die Unmittelbarkeit digitaler Signale und die Möglichkeit, im Internet global zu kommunizieren, hat eine genuin neue Medienlandschaft mit neuen Phänomenen produziert. Mehr als alles andere scheint uns diese Entwicklung individuelle Freiheiten zu verschaffen: Sei es von unterwegs Konzert-Tickets zu buchen oder das politische Weltgeschehen auf der anderen Seite des Globus verfolgen. Wir sind frei von Fernseh- und Radioprogramm, können auf Unmengen öffentlicher Informationen zugreifen und uns virtuell fast gänzlich neu erfinden.
Freie Individuen in freier Wirtschaft – oder: Das Ende der Demokratie
Demokratie und Toleranz sind in der elektronischen Agora allerdings so prekär wie eh und je. Denn anstelle einer gemeinsamen Öffentlichkeit zeigt sich das Netz als ein zunehmend individualisierender Raum. Das Globale Dorf wird auf uns persönlich zugeschnitten. Amazon errechnet unsere persönliche Werbung aus Google-Anfragen und vergangenen Käufen, Facebook filtert unseren News-Feed in Abstimmung mit unserer vermuteten politischen Haltung. »Das Internet« gibt es nicht, denn dessen virtuelle Öffentlichkeit ist eine auf unsere persönliche Vorlieben und Interessen individualisierte. So scheint es, als hätten wir mit unseren Twitter-Followern mehr gemeinsam als mit unseren Nachbarn.
Die besondere Rolle, die unsere individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung im Internet spielen, ist ein Erbe der zweiten gedanklichen Tradition des Silicon Valley. Begleitet wurden die progressiven Ideen der Hippie-Bohème von dem klassischen ökonomischen Ideal einer absolut deregulierten Wirtschaft, in der freie Individuen in den Wettkampf miteinander treten. Libertäre Denker übertrugen diese Ideen auf die Gesellschaft, die in letzter Instanz auch von der unsichtbaren Hand des Marktes geleitet werden sollte. Das Credo der Start-Up-Szene »Die beste Idee überlebt« gilt nun für alle. Dass dies wenig mit demokratischer Teilhabe zu tun hat, machte Peter Thiel in einer Rede vor dem Libertären Cato-Institut unmissverständlich klar: »Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie vereinbar sind«.
Visionen von CEO-Monarchen, von der Sezession in einen algorithmisch gelenkten Techno-Staat oder einer Präsidentschaft Donald Trumps sind widersprüchliche Konsequenzen dieses Erbes. Der unerschütterliche Glaube an den Wettbewerb unter freien Individuen macht letztendlich die Logik des Marktes zum gesellschaftlichen Entscheidungsträger, nicht die Menschen selbst. Technologische Innovationen können uns neue individuelle Freiheiten versprechen, sie treiben uns aber nicht automatisch auf eine demokratischere und tolerante Gesellschaft zu. Für diese müssen wir uns aktiv und mit kritischem Blick für neue Medientechnologien einsetzen.
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