Wenig Anlass zu großem Optimismus
Vor einem Jahr beschloss die UNO die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ulrich Brand und Werner Raza ziehen eine erste Zwischenbilanz.
Von einem historischen Moment war die Rede, als vor einem Jahr die Generalversammlung der Vereinten Nationen 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) beschloss. In einem dreijährigen Prozess haben sich 193 Regierungen unter anderem dem konsequenten Kampf gegen Armut und Hunger, für gute Arbeit, sauberes Wasser, ökologische und leistbare Energie, Bildung für alle, Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltiger Stadtentwicklung verpflichtet. Auch der Abbau von Ungleichheit und der Kampf gegen den Klimawandel werden prominent formuliert. Die Ziele sind Teil der sogenannten 2030-Entwicklungsagenda, sie sollen also das Regierungshandeln der kommenden 15 Jahre anleiten. Die SDGs werden in 169 Unterzielen operationalisiert. So sollen etwa die Subventionen für fossile Energien oder für Agrarexporte auslaufen.
Waren die vor 15 Jahren verabschiedeten Entwicklungsziele zur Jahrtausendwende (Millennium Development Goals, MDGs) noch stark auf die Länder des globalen Südens hin und an klassischen Entwicklungsthemen ausgerichtet, so verpflichten die SDGs alle Länder und geben sozial-ökologischen Fragen einen hohen Stellenwert. Der Anspruch der Regierungen ist sehr weitgehend: »Wenn wir unsere Ambitionen in allen Bereichen der Agenda verwirklichen können, wird sich das Leben aller Menschen grundlegend verbessern und eine Transformation der Welt zum Besseren stattfinden.«
Wer sollte gegen die genannten Ziele sein? Entscheidend ist natürlich die Umsetzung. Und dann geht es um Fragen der Finanzierung, des politischen Willens, des Kampfes gegen die mächtigen Interessen der Ölkonzerne, der Unternehmen mit schlecht bezahlter oder gar sklavenähnlicher Arbeit, um die Ernsthaftigkeit der reichen Länder, ihre für andere nachteiligen Freihandelspolitiken einzuschränken und ihre Lebensweise auf Kosten anderer zu ändern. Es geht dann weniger um möglichst genaue Indikatoren, sondern um Fragen von Macht - die wiederum sind ein blinder Fleck in den formulierten Strategien.
Wenn wir in einigen Jahren zurückblicken, könnten die SDGs und ihre erfolgreiche Umsetzung als Meilenstein verstanden werden. Oder aber als kurzer Lichtblick kooperativer globaler Politikformulierung, der dann rasch nationalen Egoismen der einzelnen Staaten und business as usual zum Opfer fiel. Letztes hätte ohne Zweifel dramatische Auswirkungen auf den gesamten Planeten.
Damit die SDGs ein Erfolg werden, müssten erstens die globalen politischen Eliten verstehen, dass die Vertiefung der Globalisierung und des wirtschaftlichen Wachstums um jeden Preis immer weniger funktionieren. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der ökologischen Krise der Fall, aber auch angesichts der Tatsache, dass Konkurrenz und Wachstumsfixierung immer mehr Ungleichheit und damit gesellschaftliche Instabilität schaffen. Zweitens müssten die mächtigen Staaten begreifen, dass die imperiale Politik der Kontrolle großer Weltregionen nicht mehr gelingt. Das sehen wir gegenwärtig im Nahen Osten und der dortigen Vertreibung von Millionen von Menschen. Frieden und Gerechtigkeit, die als 16. Nachhaltigkeitsziel genannt werden, kann man nicht mit Waffengewalt erreichen. Und drittens wird bei einer erfolgreichen Umsetzung der UNO-Ziele ein Mechanismus hoffentlich bald der Vergangenheit angehören: Krisen in ihren negativsten Auswirkungen tendenziell in andere Regionen, nämlich jene des globalen Südens, zu externalisieren. Oder, wie im Falle von Klimawandel und Atommüll, in die Zukunft.
Natürlich ist es nach einem Jahr zu früh, eine Bilanz zu ziehen. Aber erste Tendenzen sind bereits jetzt zu erkennen. Und die geben nicht unbedingt zu großem Optimismus Anlass.
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