Sachsen: Rechtsradikale drohen Grünen und Linken
»Steckbriefe« unter anderem gegen Jürgen Kasek und Jule Nagel aufgetaucht / Verfassungsschutz: Rechtsterroristische Anschläge nicht ausgeschlossen
Berlin. Wie groß ist die Gefährdung durch den Rechtsterrorismus in Deutschland? Fünf Jahre, nachdem die neonazistische Terrorbande NSU aufgeflogen ist, geht der Verfassungsschutz davon aus, dass die Gefahr ähnlicher Anschläge längst nicht gebannt ist. Der Chef des Inlandsgeheimdienst Hans-Georg Maaßen sagte im Deutschlandfunk, »dass es in Deutschland in der rechtsextremistischen Szene durchaus auch Einzelpersonen oder kleine Gruppen geben kann, die derartige Anschläge begehen könnten«. Maaßen verwies auf bekannte Gruppierungen wie die bundesweit vernetzte »Old School Society«. Diese habe Anschläge unter anderem auf Geflüchtete oder Salafisten begehen wollen. Auch habe es ähnliche Umtriebe von Neonazis in Bamberg und in Freital gegeben.
Derweil versuchen offenbar Rechtsradikale, den sächsischen Grünen-Politiker Jürgen Kasek, der sich stark gegen Neonazis und Rassismus engagiert, weiter mit Drohungen einzuschüchtern. Kasek veröffentlichte am Wochenende einen ihm zugegangenen Steckbrief, mit dem ein »Kopfgeld« von 10.000 Euro und die Aufforderung verbunden ist, Kasek einen »Denkzettel« zu verpassen. Auch die Adresse der Kanzlei des Rechtsanwaltes ist auf dem »Steckbrief« angegeben. Der Politiker sprach von einer »neuen Masche der Besorgten«.
Die Drohung bezieht sich unter anderem auf Kaseks Beteiligung an der Vorbereitung der Demonstration »Druck machen«, bei der am 24. Oktober in Leipzig zahlreiche Menschen »ein anderes Sachsen« auf die Straße gegangen waren. Auf dem Drohbrief sind auch die Namen von Linken-Landeschef Rico Gebhardt, der SPD-Abgeordneten Daniela Kolbe sowie »die Antifa« aufgeführt. Die sächsische Linkenpolitikerin Jule Nagel erklärte mit Blick auf die »Steckbriefe«, sie habe »schon drei davon bekommen« und diese »jeweils angezeigt«.
Erst vor wenigen Tagen waren Morddrohungen gegen die Thüringer Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König und ihren Vater, den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König, aufgetaucht, die auf die Taten der rechten Terrorzelle anspielt. Eine Neonazi-Band habe vor drei Tagen ein Lied auf dem Videoportal YouTube veröffentlicht, in dem zu den Morden aufgerufen werde, teilte das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft am Freitag in Jena mit. Königs Vater ist der Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König. Die Sprache des Liedtextes sei die des Rechtsterrorismus, sagte Instituts-Direktor Matthias Quent.
Linksfraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow zeigte sich entsetzt: »Es ist unfassbar, dass Neonazis ungehemmt Mordaufrufe gegen Katharina König und ihren Vater verbreiten«, sagte sie. Die Fraktion habe Polizei und Staatsanwaltschaft wegen des Aufrufs eingeschaltet und Anzeige erstattet. Auch die Landesregierung sei über das Lied informiert worden, weil nach Angaben des Instituts auch der Name von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) darin genannt wird. Die Landtagsabgeordnete König hatte schon in der Vergangenheit Morddrohungen erhalten, allerdings nie in einer solchen Qualität. Auch im Internet wird sie immer wieder angegriffen. Sie und ihr Vater gelten als entschiedene Kämpfer gegen Rechtsextremismus. nd/Agenturen
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