Punkerinnen wählen Hillary
Le Tigre im Wahlkampf
Die Hosenanzüge sitzen. Die Augenringe sind überschminkt. »I am with her / To the top«, singt Kathleen Hanna und schwingt zu Elektropopmusik ihre Arme andeutungsweise über die nicht vorhandene E-Gitarre. Es ist, seit 2005, das erste neue Lied von Le Tigre, einer feministischen Punkband aus den USA, die nun ironiefrei zur Wahl von Hillary Clinton aufruft.
Le Tigre ist die Nachfolgeband der Gruppe Bikini Kill, welche die Riot-Grrrl-Szene der 90er Jahre prägte, die sowohl den Punk mit dem Elektro koppelte als auch Auslöser einer subkulturellen feministischen Bewegung war, die auch hierzulande ihren Ausdruck in Bandgründungen fand.
Die Macherinnen des Videos haben die Kommentarfunktion abgestellt, sie äußern sich auch nicht weiter zu der Form der Wahlunterstützung. In der Tat ist es anzuzweifeln, ob der Song überhaupt Ergebnis einer Reunion ist, denn Kathleen Hanna ist nicht mit den anderen beiden Bandmitgliedern JD Samson und Johanna Fateman zu sehen.
Aufgrund der eigenen Geschichte sind die Reaktionen auf das Video heftig. Es sei »peinlich« bzw. »Müll«. »Unerwarteter Nebeneffekt von Hillarys Kampagne: Der Tod des Feminismus.« Selbst als Song sei das Lied schrecklich.
Dabei sind Le Tigre nicht die einzigen Feministinnen, die für Clinton stimmen. Im᠆WithHer war der Hashtag bei Twitter, unter dem sich viele feministische Künstlerinnen und Personen des öffentlichen Lebens hinter Clinton vereinigt haben. Lena Dunham, die Erfinderin der US-amerikanischen Fernsehserie »Girls«, sagte: »Unsere erste Präsidentin würde ein Signal senden, dass mit uns zu rechnen ist. Wir sind bereit, die Macht zu übernehmen. In Wirklichkeit hat sie die ganze Zeit die Macht gehabt.«
Die Philosophin Judith Butler verband ihre Wahlempfehlung hingegen mit einer Kritik an Clinton. Im Interview mit der »FAZ« Ende Oktober sagte sie: »Ich glaube, wir Linke müssen uns in dieser Situation vor allem eine Frage stellen: Wollen wir lieber gegen Hillary Clinton auf die Straße gehen oder gegen Donald Trump? Wir müssen ihr ins Weiße Haus helfen, damit wir eine Opposition gegen sie aufbauen können.« Nancy Fraser, Politikwissenschaftlerin und eine der bekanntesten US-Feministinnen, schlug in einem Interview im September vor, die »bewährte linke Taktik der kritischen Unterstützung eines kritikwürdigen Kandidaten« anzuwenden. Dies bedeute, »für eine Kandidatin eine Wahlempfehlung auszusprechen und diese mit einer lautstarken Kritik an ihrer Politik zu verbinden«.
Es gibt auch Feministinnen, die sich nicht für Clinton aussprechen. Die Kolumnistin Barbara Ehrenreich schrieb auf ihrer Facebook-Seite, dass die Menschen lieber Trump-Wähler überzeugen sollen, als Unterstützerinnen von Bernie Sanders wie sie dafür anzugreifen, sich nicht für Clinton auszusprechen. Die schwarze Literaturwissenschaftlerin Bell Hooks sagte bereits im März, dass sie nach längerer Zeit der Unterstützung nun nicht mehr für Hillary Clinton sein könne, nicht zuletzt wegen deren »militaristischer, imperialistischer und rassistischer« Politik.
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