Vom Lieblingsfeind zum Ligainventar

Wer so Fußball spielt wie die TSG Hoffenheim, sorgt nicht nur für ordentlich Aufmerksamkeit, der verdient sie auch

Es gibt Menschen, die Red Bulls Fußball-Dependance die Daumen drücken, knapp 43.000 von ihnen waren am Sonntag beim Sieg gegen Mainz vor Ort. Und es gibt viele andere, für die das Gegenteil gilt – aus Gründen, die allgemein bekannt sind und hier nicht wiederholt werden müssen. Weitgehend unbekannt ist hingegen, dass es außer RB-Liebenden und Hassenden noch etwas anderes gibt: Hoffenheim-Fans. Die sehen das Phänomen ambivalent. Zum einen hatten sie sich gemütlich in ihrer (mit den Jahren kleiner werdenden Rolle) als Hassobjekt eingerichtet. Und zum anderen bescherte ebendiese Rolle ihnen überhaupt Aufmerksamkeit. Am ersten Spieltag haben sie dann auch überraschend geistreich auf die Tapete gebracht, wie sie zum Neueinsteiger auf der Shitlist stehen: »Den Fußball zerstört nur einer, Hoffe und sonst keiner«, schrieben sie. Das war lustig.

Mittlerweile, nach dem zehnten Spieltag, liest sich die Bundesliga-Tabelle wie folgt:

1. Wie immer
2. Leipzig
3. TSG Hoffenheim

Ob das lustig ist oder nicht, mögen andere beurteilen. Ich habe heute meinen buddhistisch-gleichmütigen Tag, nachdem ich am Sonntagabend bei Anne Will gesehen habe, wie sich eine Steinzeit-islamistin im Nikab produzieren durfte, hatte ich einen Puls von 200. Dass 30 Prozent aller Zuschauer den Quatsch mit »dem Islam« verwechseln werden, freut AfD und Nikabisten gleichermaßen. Und erstere werden wieder ein paar Stimmen mehr sammeln. Aber immerhin wäre nun die Frage geklärt, ob es unerlässlich oder nur von Vorteil ist, wenn man als Moderator einen Doktortitel in Naivität vorweisen kann.

Zurück zum Tabellendritten. Der hat sich ja von der Mateschitz-Variante immer schon zum einen dadurch unterschieden, dass sein Gründer einen jahrzehntelangen Bezug zu Ort und Verein hatte. Und trotzdem ist er mit den Jahren vom Lieblingsfeindbild der aktiven Fanszenen zum Bundesligainventar geworden. Interessiert hat der Verein außerhalb des KFZ-Kennzeichen-Territoriums HD, KA und HN in den vergangenen Jahren niemanden.

Umso spannender zu sehen, dass die TSG unter Julian Nagelsmann gerade zu ihren Wurzeln zurückkehrt. Schließlich gab es ja am Anfang ihrer Bundesligajahre nicht nur diejenigen, die den Verein wegen seiner üppigen Finanzausstattung und seines Mangels an Tradition verachtet haben, sondern auch die, die den vom jetzigen Leipzig-Mastermind Ralf Rangnick geprägten Offensivfußball schätzten. Für die TSG war der Rangnick-Fußball die einzige Chance, Beachtung bei Menschen zu finden, die sich beim Fußball auch für die Sportart interessieren. Nachdem Rangnick ging, versank man wieder in der Ödnis und leistete sich ein paar Jahre, in denen man so fahrlässig wirtschaftete, wie es einige Spielerberater gerne haben.

Nun also Nagelsmann und ein Fußball, vor dem man tatsächlich den Hut ziehen muss. Durchaus körperbetont, aber schnell, variabel und immer mit dem Ziel, ein Spiel zu gewinnen. Wer so Fußball spielt, sorgt nicht nur für Aufmerksamkeit, der verdient sie auch.

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