Globale Realität
Bildungsrauschen
Wenn Hessen den Fachhochschulen das Promotionsrecht zuschreibt, verhält es sich in der global ausgerichteten Wissensgesellschaft gewiss progressiv, muss diese doch nicht allein dem Markt entsprechen, sondern Lösungen für globale Probleme erforschen. Hier werden die eher an der Praxis ausgerichteten Studiengänge der Fachhochschulen von Nutzen sein. Trotzdem tun sich Teile der akademischen Elite damit schwer, wie die langjährige Diskussion um das Promotionsrecht für Fachhochschulen hierzulande zeigt. Auch in den sozialen Netzwerken wird der Wert von Bildung an einer akademischen Elite gemessen, die einen Doktor der Universität vorweist. Ein Phänomen, das nicht nur skurril, sondern in Teilen auch reaktionär ist. So schreibt Kampfmittelräumdienst auf spiegel.de: »Nachdem schon Abitur und die Hochschullehre aufgeweicht wurden, fällt jetzt die letzte Bastion der akademischen Bildung, ab jetzt kann nicht nur jeder einen Titel nach der Bologna-Reform haben, sondern wohl auch die echten akademischen Titel. Damit schafft sich das ehemals international geachtete deutsche Bildungssystem weiter ab, irgendwann wird niemand mehr verstehen, wieso deutsche Akademiker in der Welt geachtet waren.«
Doch es gibt auch Widerspruch; Nordstadtbewohner kontert: »Ein Doktor ist kein Titel, sondern ein akademischer Grad. Wer sich so echauffiert, sollte um den Unterschied wissen. Ich finde es in Ordnung, dass auch Fachhochschulen den Doktorgrad verleihen können, wenn die Qualität stimmt. Die Qualität ist doch das Entscheidende und nicht nur die Hochschulart. Mir fällt seit längerem auf, wie ›Diplomer‹ gegen das BA-MA-System Front machen. Das ist in meinen Augen nur ein Festhalten an alten Zöpfen. Die Bologna-Reform ist seit 2005 in Deutschland maßgeblich und das BA-MA-System in der Arbeitswelt akzeptiert. (…) Diversität in der Hochschullandschaft durch Fachhochschulen ist nichts Schlimmes.«
Das Hochschul- und Forschungssystem befindet sich in einem grundsätzlichen Wandlungsprozess. Wahrscheinlich ist, dass dieser Prozess nicht in naher Zukunft abgeschlossen, sondern ein stetiger sein wird. Zumindest spricht die Entwicklung der digitalen Technik für die Auflösung von Hierarchien. In Bezug auf Fachhochschulen vergleicht der Leiter des Berliner Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, Stefan Hornbostel, auf zeit.de die Fachhochschulen mit einer Amöbe. Auf der einen Seite seien die Fachhochschulen »tief in das berufliche Bildungssystem« eingebunden, auf der anderen Seite positionieren sie sich in der »Forschung und Nachwuchsqualifizierung«. Hinsichtlich des Promotionsrechts schlägt Hornborstel vor, dieses nicht mehr an den Nachweis von Forschungsleistungen, sondern an den Nachweis einer entsprechenden Leistungsfähigkeit zu binden. Lena Tietgen
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