Ein Schiff wird kommen
Elbe-Binnenhäfen im Osten ringen um Aufträge - das Hauptproblem sind die zunehmenden Transporte per Lkw
Eigentlich sollten hier am Wasser Rotorblätter für Windkraftanlagen verladen werden. Doch davon ist schon seit langem nichts zu sehen. Für den Elbe-Binnenhafen in der Kleinstadt Mühlberg in Brandenburg gab es vor Jahren eine Vision. Der Standort sollte sich am Markt als Nische für schwere und sperrige Lasten etablieren. Zwei Schwerlastplatten wurden extra eingebaut. Doch dann kam alles anders. Heute kämpft der Hafen um Aufträge, oft steht er leer, sind die Anlagen verwaist. Auch andere Elbe-Binnenhäfen in Ostdeutschland mühen sich händeringend um Kunden.
In Mühlberg gab es vor Jahren eine Hafensanierung mit Fördermitteln - laut Stadt belief sich die Hilfe auf rund 2,5 Millionen Euro. Und weil sich in den Winterhalbjahren Zehntausende Gänse im umliegenden Schutzgebiet aufhalten, seien noch blendfreie Lampen eingebaut worden. Die Bürgermeisterin der Kleinstadt mit rund 4000 Einwohnern, Hannelore Brendel (parteilos), sagt zu den Gesprächen mit einem Windkraftanlagenhersteller rückblickend: »Alles hat gepasst, aber der Wasserweg konkurriert mit Straße und Schiene und bietet nicht immer die wirtschaftlichste Transportmöglichkeit.«
Heute generiert der Hafen wenig Umsatz. 2015 legten hier sieben Schiffe an. In diesem Jahr sollen es laut Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO), die Geschäftsbesorger für den Hafen Mühlberg ist und weitere eigene Häfen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Tschechien betreibt, immerhin geschätzt bis zu zwölf werden. Das Frachtgut seien zum Beispiel Wasserbaupflaster, Wasserbausteine, Holz und Düngemittel.
Das Statistische Bundesamt zählt für die Elbe in Ostdeutschland 16 größere Binnenhäfen, an denen Güter befördert oder umgeschlagen werden. Die Güterbeförderung auf der gesamten Elbe in Deutschland - also auch die Abschnitte im Westen inbegriffen - sei im ersten Halbjahr 2016 bezogen auf den Vergleichszeitraum 2015 um rund elf Prozent zurückgegangen. Besonders deutlich zeigte sich der Rückgang auf dem Elbabschnitt zwischen der Grenze zu Tschechien und Magdeburg. Dort schrumpfte die Summe der Beförderung den Angaben zufolge im ersten Halbjahr um ein Fünftel (20,8 Prozent).
Warum sind die Zahlen bei den meisten Häfen rückläufig? Das liege an vielen Faktoren, sagt SBO-Logistikleiter Frank Thiele. Er nennt Beispiele: Die holzverarbeitende Industrie in Tschechien habe in diesem Jahr überhaupt kein Stammholz aus Ostdeutschland importiert, weil es in dem Nachbarland selbst einen starken Überhang an Holz gegeben habe. Und Verlader aus dem Bereich erneuerbare Energien hätten seit anderthalb Jahren keine Binnenschiffstransporte angefordert.
»Und uns liegt der Lkw-Verkehr schwer im Magen«, sagt Thiele. Eine große Menge an Speditionen und niedrige Dieselpreise führten zu wachsender Konkurrenz. Drohendes Niedrigwasser ist nach Experteneinschätzung das größte Manko für die Elbe in Ostdeutschland. In diesem Jahr zum Beispiel gab es laut SBO auf der Oberelbe zehn Wochen lang keine Berufsschifffahrt - für Kunden ist das keine gute Nachricht.
Häfen gehen deshalb zunehmend in die Offensive. Trimodalität nennt sich das Konzept - also die Verkehrswege Wasser, Schiene und Straße kombiniert an einem Hafen. So kann bei Niedrigwasser umgesteuert werden, die Güter kommen zum Kunden dann per Zug oder Lastwagen, wie das landeseigene Unternehmen SBO erläutert. Mit dem Konzept habe man gute Erfahrungen etwa bei sächsischen Häfen gemacht - für Mühlberg sei das auch eine Chance, sagt Thiele. Dort gibt es bislang keine Anbindung.
Ähnlich wird die Lage auch am Elbeport in Wittenberge im Nordosten Brandenburgs eingeschätzt. »Unsere Zukunft sind die Schiene und die Straße«, sagt Geschäftsführer Wolfgang Bacher. Grund seien die ständig unsicheren Wasserstände der Elbe. »Das ist schlecht für Schiffe mit Tiefgang.«
Nach der Wende brachen für die Häfen om Osten Deutschlands viele Aufträge weg. Die Industrielandschaft veränderte sich, zum Beispiel schrumpfte die Kohlesparte stark. Was die Ladungen auf den Elb-Transporten in Ostdeutschland betrifft hat sich nach Angaben der Vereinigung Elbe Allianz seither vieles gewandelt. Der Trend gehe weg von Massengut hin zu hochwertigeren Ladungen. Der Verein, ein Zusammenschluss von Unternehmen, Behörden und Industrie- und Handelskammern, tritt dafür ein, den Fluss weiter zu ertüchtigen. Auf der Elbe in Ostdeutschland würden heute unter anderem Container, Projektladungen wie Turbinen, Agrarprodukte, Futter- und Düngemittel, Schrott und Baustoffe transportiert, heißt es bei der Vereinigung Elbe Allianz.
Die Magdeburger wollen trotz allem ihren Hafen mit Millionen-Investitionen ausbauen. Sie haben eine Trumpfkarte: Der Hafen ist nicht nur auf die Elbe mit ihren schwankenden Wasserständen angewiesen, sondern liegt an einem Wasserstraßenkreuz mit mehreren stets schiffbaren Kanälen. Seit 2013 ist in Magdeburg eine Niedrigwasserschleuse in Betrieb, der Hafen dadurch immer erreichbar.
Seit die Schleuse in Betrieb ist, stieg die Zahl der abgefertigten Schiffe um 20 Prozent auf 3800, wie der Wirtschaftsbeigeordnete von Magdeburg, Rainer Nitsche, sagt. Der Umschlag legte 2015 im Vergleich zum Vorjahr um ein Fünftel auf 4,1 Millionen Tonnen zu. Wachstum soll der Ausbau bringen: Für 40 Millionen Euro soll ein altes Hafenbecken ertüchtigt und an die Schleuse angeschlossen werden. Geht der Fördermittelantrag bei der EU durch, soll 2018 Baustart sein.
Naturschützer sehen Baumaßnahmen an der Elbe kritisch. Sie hätten bislang nichts daran geändert, dass die Schifffahrt wegen Niedrigwasser unzuverlässig und nicht planbar sei, sagt BUND-Expertin Iris Brunar. Zugleich werde die Flusslandschaft bei Vertiefungen durch Baumaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen - Auen zum Beispiel trockneten zunehmend aus. Die Naturschützer sehen stattdessen eine Chance für den Naturtourismus. Die Elbe locke jetzt schon jährlich Hunderttausende Besucher an - das bringe Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe für die Region, ergänzt Brunar.
Derzeit wird auf Bund- und Länderebene ein Gesamtkonzept für die Binnenelbe zwischen dem Wehr Geesthacht bei Hamburg und der Grenze zur Tschechischen Republik erarbeitet. Ziel ist es laut einem Eckpunktepapier, die »umweltverträgliche verkehrliche Nutzung sowie die wasserwirtschaftlichen Notwendigkeiten mit der Erhaltung des wertvollen Naturraums in Einklang zu bringen«.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, sagt zum angestrebten Zeitablauf: »Den ersten Entwurf des Gesamtkonzepts Elbe werden wir Ende des Jahres vorstellen und dann im nächsten Jahr mit den Ländern erörtern und dann beschließen.«
Zur Situation auf der Elbe betont er, dass zum Beispiel die Erosion eingedämmt, die Schifffahrtsverhältnisse verbessert und die ökologische Durchlässigkeit hergestellt werden müssten. Ferlemann sagt auch, dass allen Beteiligten klar sei, dass die Pegel der Elbe als frei fließendem Fluss vor allem von Niederschlägen im Einzugsgebiet abhängen. »Garantien für Fahrrinnentiefen gibt es bei natürlichen Gewässern nicht.« dpa/nd
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