Australien will Flüchtlinge in die USA abschieben
Premier Turnbull legte Vorschlag zur Umsiedlung von Pazifikinseln vor / »Angebot« gilt nur für bereits anerkannte Asylsuchende
Über Monate war Australiens Asylpolitik international diskutiert worden: Die einen verteufelten die Lager für Asylsuchende auf den Pazifikinseln Nauru und Manus als »unmenschlich«, die anderen priesen die »erfolgreiche« Politik, die es Flüchtlingen unmöglich machte, Australien zu erreichen.
Am Sonntag legte Premierminister Malcolm Turnbull nun gemeinsam mit Einwanderungsminister Peter Dutton einen Lösungsvorschlag auf den Tisch. Nach monatelangen Planungen habe man eine Einigung mit den USA gefunden, hieß es vonseiten der australischen Regierung. Anerkannte Flüchtlinge aus den Lagern auf Nauru und der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus, wohin Australien Bootsflüchtlinge bisher abgeschoben hatte, können in die USA umsiedeln.
Der Guardian war es, der im August 2000 Geheimdokumente veröffentlichte, die den systematischen Missbrauch der Menschen in den Asyllagern aufzeigte. Vor allem Kinder zeigten sich demnach als Leidtragende. Mehr als die Hälfte der insgesamt 2116 Berichte, die den Zeitraum von Mai 2013 bis Oktober 2015 abdeckten, dokumentierten Vorfälle mit Kindern. Darunter waren sexueller Missbrauch, Übergriffe auf Kinder und Fälle, wo sich Kinder selbst verletzten.
Auch zuvor waren immer wieder dramatische Ereignisse aus den abgeschotteten Lagern ans Tageslicht gekommen. Im Februar 2014 war ein Asylsuchender auf Manus Island während Unruhen von Wachen getötet worden, im Mai dieses Jahrs zündeten sich zwei Asylsuchende in Nauru aus Protest selbst an, einer der Flüchtlinge starb.
Das Angebot bestehe nur für Menschen, die derzeit in den Lagern lebten und als Flüchtlinge anerkannt worden seien: »Es ist eine einmalige Vereinbarung und wird nicht wiederholt«, sagte Turnbull. Einen konkreten Zeitplan für die Umsiedelung gebe es noch nicht, Familien mit Kindern hätten jedoch Vorrang. Amerikanische Beamte des Ministeriums für Innere Sicherheit der Vereinigten Staaten (Homeland Security) werden laut Turnbull in den kommenden Tagen in Australien eintreffen und den Prozess starten.
Derzeit leben 872 Menschen in dem Lager auf Manus Island und 390 auf Nauru. Für Menschen, die nicht in die USA wollen, soll ein auf 20 Jahre angelegtes Visumsangebot mit Nauru ausgearbeitet werden. Australien wird im Gegenzug für die US-amerikanische Hilfe Asylsuchende aus Lagern in Costa Rica aufnehmen.
Das Lager auf Nauru soll laut Einwanderungsminister Dutton weiter in Betrieb bleiben. Denn auch künftig werde kein Bootsflüchtling »australischen Boden betreten«, betonte er. Australien akzeptiert seit 2008 nur Flüchtlinge, die über die offiziellen Kanäle gehen. In diesem Jahr stehen 13.750 Plätze für Asylsuchende zur Verfügung. Einmalig werden zudem 12.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen, die wie andere Einwanderer medizinische Untersuchungen, Sicherheits- und Charaktertests ablegen müssen.
Das UN-Flüchtlingsahilfswerk (UNHCR) begrüßte das Abkommen zwischen Australien und den USA in einer Mitteilung, gab gleichzeitig aber auch bekannt, sie sei nicht »daran beteiligt gewesen«. Die australische Flüchtlingsorganisation Refugee Action Coalition feierte das Abkommen als »ein Eingeständnis, dass Nauru und Manus Island Offshore-Sackgassen« seien, kritisierte jedoch, dass Asylsuchende und Flüchtlinge nach wie vor eine unsichere Zukunft vor sich hätten.
Fragen hingen vor allem über »der Zukunft von tausenden, alleinstehenden Männern, nachdem Frauen, Kindern und Familien Vorrang gegeben wird«, sagte der Sprecher der Flüchtlingsorganisation Ian Rintoul, der sich nach wie vor dafür einsetzt, dass die Asylsuchenden nach Australien gebracht werden.
Das lehnt die regierende liberal-konservative Partei jedoch ab. Wenn es nach ihr geht, sollen die Asylsuchenden sogar mit einem lebenslangen Bann belegt werden, der ihnen auch spätere geschäftliche oder persönliche Besuche im Land verbieten würde. Letzteres wird von der Opposition jedoch abgelehnt, sodass eine Senatsabstimmung im November vermutlich scheitern wird.
Die Menschen in den Lagern, die aus Iran, Syrien, Sri Lanka, Pakistan, Bangladesch und Irak stammen, sowie einige staatenlose Menschen, scheinen die Nachricht weitgehend zu begrüßen. Behrouz Boochani, ein iranischer Journalist auf Manus Island, sagte der australischen Ausgabe des »Guardian«, dass diejenigen, mit denen er gesprochen habe, gerne in die USA wollten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.